Seit einigen Wochen (2018) hat die Kriminalität in Londons Südwesten neue, perfide Ausmaße angenommen. Zuerst habe ich von Fällen in Clapham – einer durchaus wohlhabenderen Gegend in Londons Südwesten – gehört:
Vermummte Motorradfahrer gucken sich am helllichten Tag ganz bewusst Eltern mit Kindern aus. Sie springen vom Motorrad, bedrohen die Mutter oder den Vater mit einem Messer und verlangen vor allem Uhren oder anderen Schmuck! Auf Motorrädern sind sie in Londons dichtem Verkehr extrem wendig und können sehr schnell das Weite suchen. Wohl wissend, dass die Eltern ihnen sowieso nicht hinterher rennen werden. Und wie man sich wohl vorstellen kann, rücken die bedrohten Eltern freiwillig alles heraus, um bloß mit ihren Kindern ungeschoren davon zu kommen!
Eine Freundin berichtete mir von 2 Fällen, die sie kennt, wo in jeweils ruhigen Straßen Eltern mit Kindern überfallen wurden. In einem Fall wurde ein Vater mit zwei Kindern überfallen und das ältere Mädchen war schon alt genug um alles mitzubekommen. Sie rannte zur Hauptstraße und schrie, dass ihr Vater erstochen wird! Das traumatisierte Mädchen hat sich verständlicher Weise 2 Wochen nicht aus dem Haus getraut 🙁
Ich finde das einfach pervers! Schon lange wird in der Innenstadt vor Motorradfahrern gewarnt, die im Vorbeifahren, als Team, an der Straße auf ihr Handy schauenden Menschen das Handy aus der Hand reißen. Das ist auch nicht schön, aber zumindest kann man aufpassen, nicht Opfer dieser Taktik zu werden. Aber gezielt Familien anzugreifen, ist einfach abartig!
Auf belebten Straßen ist man bestimmt sicher, oder?
Für uns selbst ist das natürlich auch ein Thema, denn wir sind ja nun auch wieder mit Kinderwagen unterwegs und passen daher in das Beute-Schema dieser Kriminellen. Zunächst habe ich mich und unser Au Pair damit beruhigt, dass wir ja in der Regel vor allem zu Zeiten, wo die Schule anfängt oder aufhört und es sehr belebt ist und sowieso meistens auf großen Straßen unterwegs sind.
Auf unserer Straße fährt sogar ein Bus, daher fühlte ich mich eigentlich schon sicher. Und außerdem ist unsere Wohngegend in Wimbledon eher mittelmäßig: Weder sozialer Brennpunkt noch besonders posh.
Allerdings hat mir letztes Wochenende eine Freundin von einem Fall aus ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aus Wimbledon Village erzählt. Genau dieselbe Masche: Mutter mit Kind ausgeguckt, angehalten, Messer gezückt und die Uhr verlangen. Nur weil genau da gerade ein Bus an ihnen vorbeifuhr, ist der Motorradfahrer unverrichteter Dinge abgedüst.
Was wir daraus leider schließen ist die Tatsache, dass selbst belebte Straßen keine Sicherheit bieten und diese Überfälle auch in Wimbledon stattfinden. Allerdings beruhigen wir uns jetzt damit, dass der Kriminelle erkennen sollte, dass es sich bei unserem Au Pair um ein junges Mädchen handelt, dass sicher keine wertvolle Uhr oder anderen Schmuck besitzt. Und ich selber renne hier meistens auch in Turnschuhen und ohne Handtasche rum und mache sicher auch eher den Eindruck, dass es sich bei mir nicht lohnt. Zumal sie in unserer unmittelbaren Gegend hoffentlich nicht genug teure Uhren erwarten.
Handy snatching in der Innenstadt
Mittlerweile hängen an vielen Orten in der Innenstadt und ganz besonders vor U-Bahnhöfen Warnzettel der Metropolitan Police an Laternen und Wänden, dass man auf sein Handy aufpassen soll. Insbesondere an viel befahrenen Straßen und wo viele Menschen auf einem Haufe sind, wie vor U-Bahnhöfen und an belebten Fußgängerampeln drohen erneut Kriminelle auf Motorrädern: Zu zweit rasen sie auf Menschen zu, die am Straßenrand stehen und auf ihre Handy starren.
Dem Sozius wird es so leicht gemacht, beim vorbeirauschen das Handy zu packen und damit abzudüsen. Das passiert auch nicht nur Touristen, die sich vielleicht per Map orientieren und sehr abgelenkt sind. Auch einem Kollegen ist das schon passiert. Diese Motorradkriminellen sind darin echt verdammt gut und ich bin mir sicher, dass sie auch schon von Weitem einen ziemlich guten Blick dafür haben, wo sich das nächste Opfer anbahnt. Und zack sind sie dann auch schon wieder weg.
Ich bin daher immer sehr aufmerksam mit dem Handy und versuche darauf zu verzichten, an exponierten Stellen lange draufzustarren oder zu tippen. Dann stelle ich mich lieber in die zweite Reihe oder suche mir ein Fleckchen, wo ich geschützt bin.
Londons Kriminalität nimmt wohl laut Statistik nicht zu
Auf einer lokalen Mama-Gruppe auf Facebook gab es kürzlich eine größere Diskussion um die steigende Kriminalität in unserer Gegend. Viele hatten Bekannte, bei denen eingebrochen oder das Auto geklaut wurde. Autodieben wird es hier wohl scheinbar auch recht leicht gemacht, denn Autodiebstahl wird in den meisten Fällen von der Polizei nicht weiter verfolgt.
Seit einiger Zeit klauen sie auch Teile des Katalysators, weil sich darin ein Edelmetall befindet, dass man gut weiterverticken kann. Gerne von Hybridfahrzeugen, da die Katalysatoren dieser eben nicht sehr dreckig sind. Profis rollen sich dafür mitten am Tag auch auf einem Supermarktparkplatz für 2 Minuten unters Auto und finden leider zu häufig, was sie suchen. Echt verrückt!
Eine Dame zitierte eine Quelle, nach der laut Statistik die Kriminalität in London nicht zunimmt. Ich habe die Statistik nicht angesehen. Allerdings habe ich vorher noch nie von so vielen Vorkommnissen gehört, wie in den letzten Wochen. Und ich bin schon immer in diesen Gruppen gewesen, wo solche Fälle öffentlich gemacht werden.
Dass sie in London immer mehr Polizei-Stationen – auch die bei uns – schließen oder schließen wollen, ist auch nicht gerade vertrauenerweckend…
Einbrecher schicken eine Vorhut um Häuser zu markieren
Leider liest man auch immer wieder in Facebookgruppen, dass sich etwas heruntergekommene Leute an der Tür als Mitglieder eine Rehabilitations- oder Bewährungsprogramm ausgeben und sie bei irgendetwas Hilfe brauchen. Oder sie dir aber was verkaufen wollen. Auffällig sind sie deshalb, weil sie dich beschimpfen, wenn du dich an der Tür auf kein Gespräch einlässt. Ich hatte auch schon mal so jemanden vor der Tür – bevor ich davon gehört habe.
Eigentlich wollen die nur ausspähen, ob du Bargeld im Haus hast (wenn sie dir überteuerte Putzprodukte verkaufen wollen) und einen Blick ins Haus werfen: Wo hängen Schlüssel, Handtaschen etc.
Außerdem markiert die „Vorhut“ gerne Häuser, wo sich ein Einbruch lohnt. Eine Art ist zum Beispiel, eine Skatkarte in den Briefschlitz zu stecken, die sich in England ja meist an der Tür befinden. Hängt diese Karte 2 Tage später immer noch, kann davon ausgegangen werden, dass niemand im Haus ist. Ziemlich gruselig, wenn man sein Haus so „markiert“ vorfindet!
Aber natürlich gibt es auch jede Menge Gelegenheitsdiebe. Wie es Freunden passiert ist: Im Erdgeschoss das Fenster weit offen und mal kurz nen Kaffee holen gegangen und schon ist jemand über den Zaun gehüpft und hat sich den Laptop geschnappt.
Also lieber zu Hause einschließen statt rauszugehen?
Wir haben schon ein ausgeprägteres Sicherheitsbedürfnis. So ziehen wir eigentlich nie die Tür einfach nur zu sondern schließen ab, ob wir draußen oder drinnen sind. Außerdem habe ich für ein sichereres Gefühl, wenn der Ordnungshüter auf Geschäftsreise ist, eine Überwachungskamera haben wollen. Gut, die Art und Weise, wie mein Mann diese installiert hat, ist semi-optimal um mein Sicherheitsgefühl zu stärken, aber ein bisschen ruhiger kann ich schlafen, wenn er unterwegs ist…
Aber natürlich können wir uns auch nicht komplett zu Hause wegsperren!
Kürzlich hat eine Freundin einen deutschen Stammtisch – ausgerechnet in Clapham, wo es vermehrt Vorfälle gab – organisiert. Und da das Baby noch zu klein ist um zu Hause zu bleiben, war klar, dass es mit muss. Mit einem etwas mulmigen Gefühl habe ich mich also in die Bahn gesetzt und mich mit Freunden am Bahnhof in Clapham getroffen, damit ich nicht alleine zum Pub laufen muss.
Deutscher Pubabend mit Baby
Und zum Glück habe ich an dem Pubabend teilgenommen, denn es hat sich echt gelohnt! Es war ein total netter Abend (Ok, eher so knapp 2 Stunden): Das Baby hat das ganz brav mitgemacht und wir haben ein paar nette Deutsche kennengelernt und freuen uns schon auf den nächsten Stammtisch. Zum Bahnhof zurück habe ich mich dann auch alleine getraut, weil wirklich viele Menschen unterwegs waren.
Dieser „Blind-Date“ Pubabend, wo man überhaupt nicht weiß, wer da kommt und ob man vielleicht alle total ätzend findet, hat mir mal wieder einen positiven Aspekt an unserem Leben im Ausland aufgezeigt: Wären wir in Deutschland, würde ich nie auf die Idee kommen, mich mit wildfremden Menschen auf ein Bier zu treffen. Aber als Deutscher im Ausland sitzt man irgendwie mit den anderen im selben Boot und ist bei sowas zum Glück viel experimentierfreudiger.
Diese Motorradüberfälle oder sonstige Kriminalität ist jedenfalls für uns noch kein so großes Problem, dass wir hier deshalb sofort alle Zelte abbrechen würden. Leider hat man ja überall mehr oder weniger damit zu tun.
Stay safe!
Eure Uta x
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