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Aus irgendeinem Grund hatte ich diesen Beitrag zu Paukenröhrchen bei Kindern nie veröffentlicht. Dabei finde ich ihn ganz interessant für andere Familien in ähnlichen Situationen. Da wir ja nun wieder ein Kind in diesem typischen Paukenerguss-Alter von knapp 3 Jahren haben, hoffe ich sehr, dass wir nicht noch eine weitere Erfahrung hier einfügen müssen. Zumal wir mittlerweile keine private Zusatzversicherung mehr haben und somit über das NHS Paukenröhrchen genehmigt bekommen müssten…
Wenn Kinder in England krank sind…
In England haben wir mit dem National Health System (NHS) ein deutlich anderen Gesundheitssystem, als in Deutschland: Es ist steuerfinanziert – sprich ohne zusätzliche monatliche Krankenversicherungsabgaben – und leider chronisch knapp bei Kasse. Auf Operationen wartet man daher lange, wenn es nicht gerade um etwas lebensgefährliches geht.
Mit den Kindern haben wir zum Beispiel übers NHS keinen Zugang zu Kinderärzten. Wenn sie krank sind, gehen wir mit ihnen zum Allgemeinarzt: Dem GP. An anderer Stelle habe ich einmal über unsere Erfahrung mit NHS GPs genauer berichtet. Diese sind – obwohl sie natürlich viele Kinder zu Gesicht bekommen – eben keine auf Kinder spezialisierten Ärzte und das merkt man immer wieder.
Nachdem die Schnatterente mit drei Jahren über mehrere Monate an Paukenerguss litt und wir dank einer privaten Zusatzversicherung vom Allgemeinarzt die Überweisung zu einem privaten Hals-Nasen-Ohrenarzt bekamen, stand die Entscheidung an:
Paukenröhrchen ja oder nein?
Wir haben bei der Großen relativ lange mit der Entscheidung gewartet. Auch weil ich vom Kinderarzt meiner Schwester aus Berlin weiß, dass zur Erkältungszeit ca. die Hälfte der Kinder im Alter unter 5 vorübergehend einen Paukenerguss hat. Der Hals-Nasen-Ohrenarzt in London hatte nach unseren Schilderungen von wochenlangem schlechten Hören viel früher empfohlen, die Paukenröhrchen-OP zu machen, während wir noch abgewartet haben.
Als dann auf einem Heimatbesuch aber auch eine deutsche Kinderärztin dazu geraten hat, weil es wirklich schon sehr lange anhielt, haben wir uns für die Paukenröhrchen-OP in London entschieden. Der ausschlaggebende Grund dafür war eigentlich, dass sich die Schnatterente mit der Eingewöhnung im neuen Kindergarten ungewöhnlich schwer tat.
Sprachentwicklung blieb wegen Paukenerguss zurück
Die Schnatterente war zu der Zeit – kurz nach unserem Umzug nach London – das erste mal 5 Tage halbtags im englischsprachigen Kindergarten. Gegenüber vorherigen Eingewöhnungsphasen in neuen Kindergärten, die jeweils absolut problemlos verliefen, schien es ihr dieses Mal schwerer zu fallen. Wir führten das auf die sprachlichen Unterschiede zwischen ihren Englischkenntnissen und denen der anderen 3- und 4-jährigen zurück: Die meisten sprachen schon sehr gut Englisch während sich das Englisch der Schnatterente vermutlich wegen des anhaltenden Paukenergusses und einem stark verminderten Hörvermögen, sehr schleppend entwickelte.
Die Kindergärtnerinnen haben das nur teilweise mitbekommen, weil sie es ziemlich überspielt hat, dass sie kaum hört. Aber wenn wir mit ihr sprachen war es sehr deutlich daran zu erkennen, dass ständig fragend ein „häh? oder „was?“ zurück kam.
Paukenröhrchen OP in London
Wir haben das Glück, über die Firma meines Mannes eine private Zusatzversicherung zu haben, welche auch die Kosten für die OP übernahm. So konnten wir zu einem sehr sehr netten HNO gehen, der als Belegarzt in einem Krankenhaus auch die OP durchführte.
Die OP fand in einem privaten Krankenhaus statt. Diese haben einen sehr hohen Standard, vermutlich etwas höher als in modernen deutschen Krankenhäusern. (Alle NHS Krankenhäuser und manche GP Praxen die ich bisher erlebt habe, sind wirklich eher unterirdisch: dunkel, schmuddelig, veraltet). Wir hatten nette Krankenschwestern, die sich um uns kümmerten und es war alles sehr kinderfreundlich: Vom entsprechenden Entertainment übers Essen nach der OP bis zum Kinderpflaster und Trost-Teddybär war für alles gesorgt.
Die Prozedur der OP und vor allem die Narkose vorweg war für mich herzzerreißend. Die Schnatterente hat sich nicht besonders gegen die sich nähernde Gasmaske gewehrt, allerdings war ich total erschrocken als sie plötzlich 3-4 Mal so mega tief ein und ausgeatmet hat, dass ich schon dachte sie kollabiert! Dann wurde sie schlaff und man nahm sie mir aus dem Arm und legte sie auf den OP Tisch.
Leider durfte ich nicht vor dem Aufwachraum warten sondern musste in den Raum, wo wir schon vorher waren. Als ich nach gefühlt einer Ewigkeit endlich geholt wurde und das völlig aufgelöste „Mama“-Schreien von der aufgewachten Schnatterente hörte, war ich echt sauer! Wieso konnte ich nicht einfach vor der Tür warten und beim Aufwachen dabei sein?!? Das Schreien ging mir lange nicht mehr aus dem Ohr! Wobei mir versichert wurde, dass sie sich an diese Szene im Nachhinein nicht mehr erinnern würde. Zum Glück, denn ich hatte bisher selbst nur eine OP mit Vollnarkose und ich fand auch als Erwachsene das Aufwachen sehr verwirrend und beängstigend.
Merke für die nächste Narkose beim Kind: Den Zugang nicht in den Knöchelbereich
Der Anästesist erklärte mir vor der Narkose der Schnatterente, dass es in dem Alter für kleine Kinder angenehmer wäre, den Zugang knapp über den Innenknöchel in den Unterschenkel gelegt zu bekommen, als in die Hand. Mir kam das zwar unangenehmer vor, aber der Arzt wird wohl seine Erfahrung haben…
Meine Schnatterente war da allerdings ganz anderer Meinung! Sehr durch das ganze OP-Prozedere mitgenommen war das abziehen des Pflasters am Bein sowie das Ziehen der Kanüle der absolute Supergau! Sie lies weder die Krankenschwester noch mich in die Nähe des Pflasters und es hat locker 10 Minuten gedauert, bis wir sie soweit beruhigt hatten, dass wir unter viel Widerstand erst das Pflaster und dann die Kanüle ziehen durften!
Nach der OP hielt sie sich draußen die Ohren zu
Als wir ein paar Stunden nach der OP das Krankenhaus verlassen durften, hielt sich die Schnatterente draußen die Ohren zu – so laut fand sie den Verkehr! Daran merkten wir so richtig, welch himmelweiter Unterschied zwischen ihrem Hörvermögen vor und nach der OP lag.
Sie musste sich wirklich erst mal wieder an die normale Umgebungslautstärke gewöhnen.
Paukenröhrchen beim Kind Nummer 2
Als wir auch mit der 3,5 Jährigen Kuschelmaus wieder mit Paukenerguss beim selben HNO auftauchten, fragte er direkt, wer denn bei uns in der Familie die Probleme mit den Ohren hätte. Die kleinen Gehörgänge scheinen wohl genetisch zu sein und daher hoffe ich sehr, dass wir wenigstens bei Nummer drei mit größeren Gehörgängen gesegnet wurden!
Bei der Kleinen haben wir jedenfalls nicht so lange mit der Paukenröhrchen-OP gewartet. Die Erfahrung bei der großen Schwester zeigten, dass es auch durch Abwarten nicht besser wurde und so haben wie schon nach wenigen Wochen mit anhaltendem Paukenerguss die OP organisiert. Allerdings mussten wir die wegen Hand-Mund-Fuß-Krankheit am Tag vor der OP noch einmal um zwei Wochen verschieben!
Selbes OP-Team, anderes Krankenhaus und OP-Uhrzeit
Die größte Herausforderung vor der OP schien es mir bei der Kleinen, sie bis zum OP-Zeitpunkt um 13:00 Uhr (!) nüchtern zu halten! Es gab leider keinen früheren Termin und so haben wir am morgen noch Saft und bis 2 Stunden vor der OP noch Wasser geben dürfen und danach nichts mehr. Bei unserer kleinen Raupe Nimmersatt nicht gerade einfach!
Am Vormittag haben wir noch ein paar Erledigungen mit etwas weiterer Anreise im Auto gemacht und sie so ganz gut vom Hunger abgelenkt. Und ab dem Zeitpunkt ab dem wir im Krankenhaus waren, hat sie zwar ab und zu mal etwas gejammert, aber die Gesamtsituation ist ihr wohl doch auf den Appetit geschlagen und so war das am Ende weniger schlimm als befürchtet.
In sämtlichen Vorgesprächen und Fragebögen habe ich wegen der Erfahrung bei der Großen vor der OP mehrfach den Hinweis hinterlassen, dass die Kanüle in die Hand und nicht ins Bein gelegt werden soll.
Als dann vor der OP derselbe Anästhesist zur Besprechung ins Zimmer kam, den ich nur an seiner Brille und einem auffällig schiefen Mund wiedererkannt habe, gab es eine lustige Situation. Er hat möglicherweise gar nicht über meinen „Wunschort“ für die Kanüle gelesen. Er fing jedenfalls an mir zu erklären, wie die Anästhesie von statten geht und dass er wegen des Alters den Zugang ins Bein machen wird. Auf meine VEHEMENTE Verweigerung schien er jedenfalls nicht vorbereitet gewesen zu sein und traute sich daraufhin auch nicht zu widersprechen. Er hat wohl selten mit so fordernden Deutschen zu tun 😉
Die Narkose war der Horror
Die Kuschelmaus ist deutlich schüchterner als die Schnatterente und hat vor Fremden viel mehr Angst. Zudem hat sie einen sehr starken Dickkopf! Und so war es schon absolut unmöglich, sie auch nur in das (wirklich süße) Kinder-OP-Hemdchen zu bekommen. Also durfte sie halb angezogen in den OP und es wurde dann auch wegen der Zeitverzögerung durch die Diskussion mit dem OP-Hemdchen etwas hektisch.
Als der Anästhesist im OP-Saal mit der Gasmaske immer näher kam, hatte sie so dermaßen Panik bekommen, sich an mich geklammert und mich mit so hilfesuchendem und gleichzeitig vorwurfsvollen Blick angeschaut, dass es mir fast das Herz zerrissen hat! „Warum beschützt mich Mama nicht vor diesem „gemeinen Mann“. Sie hilft ihm sogar dabei, dass er mir die Maske auf Nase und Mund drücken kann!“
Das war so furchtbar und mir war hinterher richtig übel!
Der Verlauf der Paukenröhrchen OP
Insgesamt dauert das Einsetzen der Paukenröhrchen auf beiden Seiten nicht viel länger als 20 Minuten. Es wird ja nur ein kleiner Schnitt ins Trommelfell gemacht, der ganze zähflüssige Schleim dahinter abgesaugt und dann die Paukenröhrchen eingesetzt. Aber es hat sich für mich deutlich länger angefühlt…
Auch sie hat beim Aufwachen verzweifelt geschrien und auch bei ihr durfte ich nicht ganz in der Nähe warten… Nachdem sie sich halbwegs beruhigt hatte, hat sie erst einmal angefangen zu futtern: Weil ich ja nicht wusste, wonach ihr nach der OP ist, habe ich so circa alle Leckereien mitgenommen, die sie mag. Und es gab da gar kein Halten: Am Ende war das riesen Proviantpaket halb leer und sie relativ schnell wieder recht munter.
Und es bewahrheitete sich, dass die in die Hand gelegte Kanüle um einiges einfacher beim Entfernen war. Begeistert war auch sie nicht, dass da was in ihrer Hand steckte, das nun wieder raus musste. Aber es gab längst nicht so ein Theater wie bei der Großen. Am Nachmittag konnten wir dann das Krankenhaus schon wieder verlassen.
Wie lange bleiben Paukenröhrchen drin?
Uns wurde gesagt, dass die Paukenröhrchen nach ca. 12 Monaten von alleine rauswachsen. Bei der Schnatterente waren sie über 18 Monate drin. In der gesamten Zeit trug sie beim Baden und Schwimmen Ohrenstöpsel aus Wachs und sie hatte zum Glück nie irgendwelche Probleme. Und vor allem war das Hörvermögen von jetzt auf gleich wieder komplett da.
Bei der Kuschelmaus sind die Paukenröhrchen nun auch mehr als 2 Jahre drin. Leider kamen sie auch nicht bei der fetten Ohrenentzündung raus, mit der sich die Kuschelmaus über mehrere Wochen mit 4,5 Jahren rumplagen musste. Erst unser privater HNO gab uns das richtige Antibiotikum, das dann auch wirkte.
Eure Uta x
Nachtrag zum Thema Paukenröhrchen: Letzten Sommer ist die Schnatterente bei heißen Temperaturen mit vielen anderen Kindern in einem Plantschbecken viel getaucht, dessen Wasser nicht wirklich erneuert wurde. Sie bekam eine Ohrenentzündung und von der deutschen Kinderärztin ein Antibiotikum, das aber nicht half. Der englische HNO hatte im Abstrich eine erstaunliche Anzahl und Vielfalt an Bakterien gefunden, zum Glück aber auch wirksame Ohrentropfen verschrieben.
Bei der Nachkontrolle sah er noch ein winziges Loch im Trommelfell und da die Schnatterente auf diesem Ohr immer Probleme beim Tauchen hat fragten wir uns, ob dieses Löchlein, nachdem das Paukenröhrchen rausgefallen war, übrig geblieben ist. Das kann nämlich eine Komplikation der Paukenröhrchen-OP sein, der wir nun demnächst mal auf den Grund gehen müssen. Dann über das NHS – den ersten HNO-Termin, der wegen der Pandemie doch tatsächlich telefonisch hätte stattfinden sollte(!) – haben wir erstmal verschoben.
Zumindest hat ein Schulfreund und Kinderarzt in Berlin mit einem – weniger speziellen Untersuchungsgerät als vom HNO – erstmal kein Löchlein gesehen. Es wäre ja toll, wenn das Loch durch die dicke Ohrenentzündung verschwunden wäre!
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