Anlässlich des Filmdebuts „Die Mannschaft“ im öffentlichen Fernsehen möchte ich kurz von meiner Beobachtung des vergangenen Sommers in London während der Fußball WM berichten.
Bekanntlich gilt England als „Mutterland des Fußballs“ und alle Engländer sind riesen Fußball-Fans. Dementsprechend groß war dort die Vorfreude vor der WM. Bei solch großen Turnieren gucke ich auch gerne Fußball und „oute“ mich auch als Deutsche. Ich war im Vorfeld allerdings schon ganz froh, dass Deutschland und England in der Vorrunde nicht in der selben Gruppe waren!
Zu der Zeit bin ich noch regelmäßig zu Buggy-Fit-Kursen im Park gegangen und die (internationalen) Mamas haben immer über die Spiele des Vorabends diskutiert gesprochen. Mir wurde zum Beispiel immer von der Trainerin gratuliert, wenn Deutschland gewonnen hatte (von wegen „Well done, Uta!“ – Danke, June! Ich habe mich beim Anfeuern auf dem heimischen Sofa mit schlafendem Baby auf dem Arm auch wirklich außergewöhnlich ins Zeug gelegt, um die Mannschaft angemessen und lautstark anzufeuern…) :-).
Als England das erste Gruppenspiel gegen Italien verloren hat, wurde das von den sporttreibenden Mamas im Park nur kurz mit „bad luck“ abgehakt. Ich merkte bereits, dass über Niederlagen der Englischen Fußballnationalmannschaft nicht gerne gesprochen wird.
Als zweites stand für England das Spiel gegen Uruguay an. Auch das Spiel hat England verloren und ausgerechnet Englands Fußballer des Jahres, Luis Suarez aus Uguruay , war der Matchwinner und schoss zwei Tore! England hatte danach kaum mehr eine Chance, die Hauptrunde zu erreichen. Die Reaktion – nicht nur im Kreise der Buggy-Fit-Mamas: Die Fußball-WM war im wahrsten Sinne des Wortes kein Thema mehr!
Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden die ersten Englandfahnen, die an den Häusern hingen, eingezogen und die englischen Fanartikel schienen nicht mehr so präsent in den Supermärkten platziert zu sein. Als das Ausscheiden der Engländer nach dem dritten Gruppenspieltag feststand, wurden still und heimlich die restlichen Fahnen an den Häuserwänden entsorgt. Nicht selten sah man sie aus Mülleimern hervorblitzen. Aber das schien der einzige nach Außen getragene Protest von Fan-Individualisten zu sein – zumindest in unserer Wohngegend. In der Englischen Presse war schnell der Schuldige gefunden: Der Trainer wars, ganz klar! Die Schlagzeilen waren zwar reißend (z.B. „R.i.P. Englischer Fußball“ auf einem Grabstein stehend) aber auch schnell war wieder Ruhe.
Wenn ich mir vorstelle, welche Tragödie ein solch frühes Ausscheiden in Deutschland auslösen würde…! Viel emotionaler wäre jeder einzelne Fan davon betroffen, tage- oder vielleicht wochenlang würde über Schiedsrichter- oder Trainerentscheidungen diskutiert werden. Jeder würde analysieren, woran es lag und Sätze wie: „Hätte er mal xyz aufgestellt/eingewechselt“ oder ähnliches, würde man tausende Male von allen „Möchte-gern-Jogi-Löws“ zu hören bekommen.
Ich habe das Gefühl, eine Niederlage der Deutschen Fußballnationalmannschaft hängt uns irgendwie noch viel länger nach als den Engländern und niemand kann/möchte am nächsten Tag zur Normalität übergehen und so tun, als hätte es nie eine Weltmeisterschaft gegeben. Ich weiß noch genau, dass ich nach dem Ausscheiden der Deutschen Mannschaft gegen Italien bei der WM 2006 im Halbfinale monatelang nicht mehr in eine Pizzeria gehen wollte und jeder Cappuccino hatte irgendwie einen bitteren Nachgeschmack. Und das ging sicher nicht nur mir so 😉
Ich weiß nicht, ob das vielleicht etwas mit der „Britischen Höflichkeit“ zu tun hat (über die ich bereits geschrieben habe), dass über eine solche Enttäuschung so einfach drüber hinweggegangen wird. Es war jedenfalls für mich sehr interessant zu sehen.
Nachdem Deutschland den Weltmeistertitel gewonnen hatte, war jedenfalls für mich persönlich in London (fest-)sitzend sehr schade, dass ich mich nicht am Hupkonzert über den Ku´Damm beteiligen konnte! Hätte ich bei uns in der londoner Wohngegend „richtig Alarm“ gemacht, hätten vermutlich viele gar nicht gewusst, weshalb die „Verrückte“ da draußen so abgeht! Viele Engländer haben das Finale nämlich nicht einmal angeguckt!
Beim nächsten WM-Finale mit deutscher Beteiligung fliege ich jedenfalls definitiv nach Berlin! Einen Weltmeister-Titel im Ausland feiern, ist einfach nicht dasselbe…
Eure Uta x
ps: Für „kinderlose“ Deutsche gab es allerdings genug Möglichkeiten, in zig Pubs mit anderen Deutschland-Fans Fußball zu gucken und ausgiebig den Weltmeistertitel zu feiern 🙂
Wir waren auch gerade in England, als das Finale anstand und fanden es witzig, selbst in so abgelegenen Ecken wie „Westward Ho!“ am nächsten Tag ein Auto mit vielen Deutschlandflaggen zu entdecken. Auch als Nicht-Fußball-Begeisterte fand ich es schade, gerade nicht zuhause zu sein, wenn Deutschland schon mal Weltmeister wird. Mit Blick auf den Nachtschlaf unserer Kinder hätte uns aber gar nichts besseres passieren können 😉