Das Gesundheitssystem NHS in England
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Das englische Gesundheitssystem NHS (National Health Service) funktioniert ziemlich anders als das deutsche. Es finanziert sich über Steuergelder und nicht, wie in vielen anderen Ländern, über eine Sozialversicherung. Es bietet jeder in England wohnhaften Person kostenlosen Zugang zum Hausarzt (GP: General Practitioner) und zum Krankenhaus. Ebenso konnten und können sich Reisende der EU über die EHIC (European Health Insurance Card) in einem Notfall gebührenfrei behandeln lassen. Nach Brexit gilt nun für alle, die eine Visum benötigen, dass sie auch die Immigration Health Surcharge zu bezahlen haben, um sich übers NHS behandeln zu lassen.
Wie sucht man sich seinen Arzt in England?
Hier ist es so, dass man sich bei einer GP Praxis registriert und immer zuerst zu dieser Praxis/ zu dem GP geht, egal welches gesundheitliche Problem besteht. Es gibt in Deutschland ja auch die hausarztzentrierte Versorgung, die die Krankenkassen anbieten. Allerdings gibt es dort Fachärzte, zu denen man direkt hingehen kann. Zum Beispiel zum Gynäkologen, Augenarzt oder Kinderarzt.
Hier ist das nicht so und man muss wegen jeder Überweisung für einen Facharzt zuerst zum GP.
Jährliche gynäkologische Vorsorge? Fehlanzeige
Medizinische Vorsorgeuntersuchungen sind im Vergleich zu dem Angebot in Deutschland beinahe nicht existent. Leider! Während man in Deutschland schon teilweise ab 20 spätestens aber ab 30 Jahren die verschiedenen Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt, Hautarzt oder Urologen wahrnehmen kann, gibt es hier Vorsorgen unregelmäßig und später.
Zum Gebärmutterhalskrebs-Abstrich (Pap-Smear) werden Frauen alle 3 Jahre eingeladen. Und dieser wird von einer Nurse durchgeführt. Weitere Krebsvorsorgeuntersuchungen finden für jüngere Frauen nicht statt. Und meine Erfahrung beim ersten Pap Smear waren alles andere als erbaulich. Wir haben dann auch noch mal die Surgery gewechselt und die neue war deutlich hygienischer vom ganzen drum und dran:
Die Nurse der alten GP-Praxis, die das Screening bei mir letztes Jahr in ihrem kleinen, etwas schmuddeligen Raum gemacht hat, war schon beim Eintritt pampig, weil ich zu spät sei. Dabei saß ich bereits 15 Minuten im Wartezimmer… Mit ihrer Plastikschürze, der opulenten Figur und der wenig zimperlichen Art erinnerte sie mich eher an eine Schlächterin als eine feinfühlige Nurse, die jetzt gleich einen sehr privaten Blick auf mich werfen will/darf… Da habe ich mich wirklich nicht gut aufgehoben gefühlt, was mir andere Nachbarinnen auch bestätigten.
Was habe ich daraus gelernt habe und solange wir eine private Zusatzversicherung haben, auch klappen sollte: Irgendein Unterleibsproblem „bekommen“, beim GP eine Überweisung holen und dann eine private Gynäkologin aufsuchen und dort eine vernünftige Krebsvorsorge machen lassen 🙂
Glücklich sind wirklich jene mit privater Zusatzversicherung
Glücklich kann man sich schätzen, wenn der Arbeitgeber eine private Zusatzversicherung anbietet oder man diese privat abschließen kann. Denn dann sind die GPs relativ großzügig mit den Überweisungen (referral letter) zu den Fachärzten. Allerdings muss man bei vielen Privatversicherungen vor der Behandlung vorher anrufen um zu überprüfen, ob die anstehende Behandlung bezahlt wird und ob der Arzt, den man sich ausgesucht hat oder den der GP empfohlen hat, mit der Versicherung kooperiert…
Wir haben zum Glück eine Versicherung mit Axxa PPP. Ich mache es mittlerweile so, dass ich bei der Versicherung anrufe, wenn ich für einen von uns eine Überweisung brauche und mir einen Facharzt ausgesucht habe, um zunächst zu checken, ob dieser mit der Versicherung kooperiert. Erst dann hole ich mir beim GP eine namentliche Überweisung für diesen Arzt. Damit spart man sich den einen Weg, nochmal zum GP zurück gehen zu müssen und den Namen des Arztes anzugeben, nachdem die Versicherung ihr „ok“ gibt…
Wobei der „Besuch beim GP“ in der Regel immer eine kurzweilige Geschichte ist. Egal, ob man etwas hat oder nur eine Überweisung braucht, Termine sind im 10 Minuten Abstand vergeben und ich habe bisher noch kein einziges Mal länger als 5/6 Minuten im Behandlungsraum verbracht, auch wenn wirklich eine von uns krank war…
Es gibt allerdings auch Privatversicherungen, bei denen man ganz ohne Überweisung direkt zum Facharzt der Wahl gehen kann. Super und Glückwunsch an jene, die eine solche Versicherung haben!
Am fehlenden Kinderarztzugang störe ich mich ernsthaft
Ich finde es wirklich ätzend, dass man hier mit einem Kind zum GP geht, der einfach nicht speziell dafür ausgebildet ist. Klar sehen die viele Kinder, aber dennoch hat man oft das Gefühl, dass sie einfach nicht wie ein Kinderarzt in Deutschland auf Kinder eingehen. Vielleicht ist das auch ein bisschen dem allgemeinen Zeitdruck geschuldet. Aber auch bei den Kindern geht es rein, zack das angeschaut, weshalb man da ist, und wieder raus. Selten habe ich mal erlebt, dass ein Kind mit was auch immer für Symptomen auch mal alles andere abgecheckt bekam: Brust abhorchen, in Hals, Nase und Ohren schauen, Lymphknoten abtasten (letzteres glaube ich noch nie) sind bei uns an einer Hand abzählbar – auch nach Jahren mit 3 Kindern im NHS.
Das Gesundheitssystem in Hong Kong funktioniert ähnlich, aber zumindest zum Kinderarzt konnte man immerhin ohne Überweisung gehen… In England kann man im Akutfall und selbst bei zusätzlicher privater Versicherung praktisch vergessen, einen Kinderarzt aufsuchen zu können. Sicher gibt es irgendeine Möglichkeit, wenn man viel Geld in die Hand nimmt oder irgendeine „Super-Privatversicherung“ hat.
Ich habe auch schon mal ewig mit der Versicherung diskutiert, als ich am selben Tag einen Kinderarzttermin hätte haben können (deutsche Arztpraxis in Richmond), es vorher aber nicht schaffte, einen referral letter beim GP zu besorgen. Sie haben sich geweigert, die Kosten zu übernehmen. Da bleibt einem nur übrig, den Kinderarzt privat zu bezahlen! Echt bescheuert!
Kindervorsorgeuntersuchungen? Mangelware
Es ist schon auffällig, dass hier Untersuchungen, die in Deutschland jährlich anstehen, in größeren Abständen anstehen. Auch die ganzen Vorsorgeuntersuchungen für Kinder (Die „U“s), gibt es hier nicht in diesem Umfang. Beim „24 Monate-Screening“ bei der Kuschelmaus wurden ein paar Dinge gefragt, dann aber vor allem auf ihr Gewicht eingegangen. Sie hatte definitiv noch Babyspeck, aber war auf ihrer Kurve und somit für mich völlig akzeptabel. Dennoch wurde ich über gesunde und ungesunde Ernährung aufgeklärt. Fastfood=schlecht, Gemüse=gut! Ahhh – gut dass mir das endlich jemand erklärt! Fehlt nur noch der Fachmann, der dieser Erkenntnis auch der 2-Jährigen erklärt…
Was ich auch sehr vermisst habe ist eine Art Schuleingangsuntersuchung für die 5 Jährigen. Gut, die sind dann hier halt auch schon direkt im Schulsystem. Aber auch früher findet so etwas nicht statt. In unserem Fall bin ich mir sicher, dass es dem Arzt aufgefallen wäre, dass die Schnatterente nicht gut malt und den Stift falsch hält. Erst viele Jahre später ist eine graphomotorische Schwäche (Probleme beim Schreiben) aufgefallen. Hätten wir hier vorher intervenieren können, wäre es sicher in einigen Bereichen einfacher in der Schule gelaufen!
Interessanterweise gab es vor einiger Zeit in einer Berliner Tageszeitung eine Übersicht über die besten Gesundheitssystem der Welt. Großbritannien/ das NHS wurde dort komplett ausgelassen! Ich frage mich, warum wohl…?
Mehr nützliche Infos über London findest du hier
„Es gibt allerdings auch Privatversicherungen, bei denen man ganz ohne Überweisung direkt zum Facharzt der Wahl gehen kann. Super und Glückwunsch an jene, die eine solche Versicherung haben!“
Wie viel kostet denn eine solche Versicherung? Und wie viel im Vergleich zahlen Sie in Deutschland monatlich für die gesetzliche Krankenversicherung?
Ich bin Freiberuflerin mit 1000 – 12oo Euro Einkommen pro Monat und müsste (wenn ich nicht glücklicherweise bei der Künstlersozialkasse versichert wäre) den Mindestbeitrag von 240 Euro monatlich bezahlen! Kosten die genannten Privatversicherungen in UK tatsächlich noch (viel) mehr?
Im Internet gefunden (Beitrag vom Mai 2018): „The average premium for UK private health insurance is £1,435 per year (source: ActiveQuote). But you might pay much less than that for health insurance depending on the two factors that influence the cost.“ Das sind reichlich 100 Euro pro Monat – so billig kommen Sie meines Wissens in Deutschland aber nicht weg!
Mich ärgert an solchen Beiträgen, ich auf deutschen Websites finde, dass alle immer so tun, als bekämen wir in DE ein weitaus bessere medizinische Versorgung als in UK zum selben Preis.
Beste Grüße, AN
Hallo,
vielen Dank für den Kommentar.
Es stimmt, in UK zahlt man nicht „extra“ fürs NHS (außer beim Zahnarzt für viele Behandlungen und mittlerweile auch einer Rezeptgebühr). Allerdings verstecken sich Natürlich einige Abgaben im Sozialversicherungsbeitrag, den man als Arbeitnehmer als eine Art Steuer abgibt. Von daher ist das NHS für nicht- oder Geringverdiener sicher „kostenlos“, aber diese Personengruppe wird vermutlich in Deutschland auch nicht besonders viel für die Krankenversicherung aus eigener Tasche zahlen?
Viele Grüße,
Uta
Hallo Uta,
das ist ein Thema, was mich brennend interessiert. Ich habe Dir daher heute eine Mail geschrieben und hoffe sehnlichst auf Deine Antwort.
LG
Birgit