Blick auf the Shambles in Yorck

Ich habe Nadia über eine Facebookgruppe kennengelernt und freue mich sehr darüber, dass sie für BerlOndon-Mama sehr persönlich über ihren Weg bis zum Umzug von York nach Bayern berichtet hat. Ich finde es sehr schade zu lesen, dass sie in den wenigen Jahren, die sie als junge erwachsene Deutsch-Irakerin in Deutschland gelebt hat, viele negative Erfahrungen erleben musste. Umso mehr drücke ich ihr jetzt die Daumen, dass der zweite Anlauf in Deutschland, der vor allem von ihrem britischen Mann angetrieben wurde, für die ganze Familie gelingt und sie sich in der neuen Heimat weiterhin gut einleben!

Von York in England nach Schwaben in Bayern…Unser großer Umzug

Tja wo fängt man an wenn es eine so lange Geschichte ist. Ich bin 1985 nach UK gezogen und habe dort 35 Jahre glücklich gelebt. Zuerst zehn Jahre in London und dann 25 Jahre in der wunderschönen Stadt York in Nordengland. Mein Mann ist Brite doch bin ich nicht wegen ihm nach England gezogen.

Ich bin nicht gebürtige Deutsche sondern bin im Irak geboren und aufgewachsen

Ich bin nicht gebürtige Deutsche sondern bin im Irak geboren und aufgewachsen. Durch meine deutsche Mutter hatte ich den deutschen Pass bekommen und bin nach Deutschland um der politischen Lage im Irak zu entkommen als ich 18 Jahre alt war. Das war in den frühen achtziger Jahren und ich war in Deutschland leider immer nur “die Türkin” und habe sehr viel Rassismus und Diskriminierung erlebt als ich dort war..

Ich konnte mich nicht einleben, daher der Umzug nach London

Ich konnte mich nicht in Deutschland einleben und fand es dort sehr schwierig und so bin ich dann nach acht Jahren in das offene und internationale und multikulturelle London gezogen. Und es war wunderbar. Ich habe geheiratet, in London mein erstes Kind bekommen, mich scheiden lassen, etwas später eine neue Beziehung mit einem neuen Briten begonnen zu dem ich dann nach York gezogen bin. Ihn habe ich geheiratet und mit ihm zwei weitere Kinder bekommen.

Bis 2016 war alles in Ordnung und ich hätte nie gedacht dass es mich wieder nach Deutschland ziehen könnte, oder überhaupt weg aus der UK. Gleich am Morgen nach dem Brexit-Referendum, in dem ich ja nicht mitwählen durfte, sagte mein Mann sofort nachdem das Resultat bekannt gegeben wurde :

“Wir müssen hier raus!”

Seitdem saß er mehr oder weniger auf gepackten Koffern und ich habe aber immer gebremst:  “Warten wir noch, schauen wir was wird, vielleicht ändert sich ja alles wieder”. Es änderte sich jedoch nichts und es wurde im Gegenteil nur noch beängstigender.

Für mich war das auch ein “Deja vu”

Für mich war da auch ein bisschen “Deja vu” dabei, weil sich in Irak auch alles damals so langsam und subtil in die falsche Richtung wendete und irgendwie hatte ich das Gefühl schon mal in dieser Situation gewesen zu sein. So entschloss ich mich 2018 mich in UK einbürgern zu lassen und Britin zu werden.

Jetzt hatte ich drei Staatsbürgerschaften

Das hat geklappt und ich wurde im Juni 2018 eingebürgert. Jetzt hatte ich drei Staatsbürgerschaften. Trotzdem warteten wir weiter und beobachteten die Lage.

Unsere drei Kinder waren schon groß, mein ältester ein erfolgreicher Unternehmer in England, unsere Tochter hat in England die Schule absolviert, hat dann in Deutschland Sprachen studiert und lebt jetzt in Spanien und ist dort Übersetzerin und Dolmetscherin. Unser Jüngster war noch in der Schule. Solange er noch sein Abitur machte da wollten wir noch etwas abwarten. Das Abitur hat er dann im Sommer 2019 erfolgreich abgeschlossen und er wollte sowieso in die Fußstapfen seiner Schwester treten und in Deutschland studieren, egal ob wir mitzogen oder nicht.

Dann kam die Wahl im Dezember 2019 in welcher auch unser Jüngster und ich zum ersten Mal mitwählen durften da ich Britin und unser Jüngster 18 geworden war. Das Ergebnis dieser Wahl war für uns der absolut ausschlaggebende Punkt. Denn wenn so viele EU Bürger die inzwischen Briten geworden waren mitwählen konnten und trotzdem dieses Resultat dabei herauskam dann war das ein eindeutiger Wink mit dem Zaunpfahl durch das Schicksal.

Die Entscheidung zu gehen stand nach der General Election fest

Wir feierten Weihnachten und im Januar 2020 setzte ich mich an meinen Lebenslauf heran und bewarb mich. Ich habe mir die Organisation bei der ich mich beworben habe,  genau ausgesucht denn eine Wohnung hatten wir schon in Aussicht. Ein alter Freund von mir zog aus seiner Wohnung in Deutschland aus und wartete mit seiner Kündigung bis wir uns entschieden hatten um uns als Nachmieter gleich einzuschleusen, sollten wir das wollen.

Die Jobsuche per Skype Interview

Ein Skype Interview für die Arbeitsstelle folgte und es sah alles sehr positiv aus und dann kam der Lockdown. Somit mussten wir wieder warten und erst im Juni 2020 wusste ich sicher, dass ich die Stelle wirklich hatte. Dann ging alles sehr schnell und wir bekamen sehr viel Hilfe und Tipps durch die “Deutsche Rückwanderer aus Großbritannien” Seite auf Facebook.  

Ich hatte seit ich dieser Gruppe beigetreten war schon viele “Gespräche” mit Mitgliedern geführt, Fragen gestellt, mitgelesen, und mich sogar schon auf einem Besuch in Deutschland mit einigen persönlich getroffen. Ende August war der Umzug und so kamen wir in Süddeutschland in einem kleinen Dorf in Schwaben an.

Englische Autobahn beim Umzug

Wir sind mit unserem Hab und Gut zusammen im Umzugswagen mitgefahren, 22 Stunden über Land und mein Mann kam einen Monat später nach. Mit der Reise fiel wortwörtlich eine Last von unseren Schultern, wir konnten es richtig spüren und somit war es ein sehr positiver Anfang und ein gutes Gefühl, das bisher auch angehalten hat.

Hatten wir schon immer Rückwanderungspläne?

Um auf einige Fragen auf dem Fragebogen einzugehen: Nein es gab bei uns überhaupt keine Rückwanderungspläne bis mein Mann diese Aussage am Morgen nach dem Referendum von sich gab und auch dann gab es keine Pläne bis zum Januar 2020 nach dem Ergebnis der Wahlen im Dezember. Ohne Brexit wären wir niemals weggezogen.

Wir haben wunderbare Freunde dort und lieben unsere Stadt York und eigentlich dachte ich dass ich dort alt werden würde. Natürlich spielte ich immer wieder mit dem Gedanken an einen Umzug seit dem Referendum und der Freund in Deutschland hielt uns die Wohnung sehr lange parat. Es hat uns sehr geholfen zu wissen dass er uns die Wohnung geben würde und bereit dazu war ein paar Monate zu warten bis wir uns entschieden hatten.

Meinem britischen Mann fiel die Entscheidung überhaupt nicht schwer, er war unendlich wütend auf alles was im UK passiert war und konnte sich mit dem ganzen Empire Gehabe einfach nicht identifizieren….. aber für mich war es sehr schwer.

Ich liebte meine Arbeit

Ich liebte meine Arbeit dort in York. Ich bin Lehrerin und ich liebte die Kinder die ich unterrichte und die Eltern und die ganze Schulgemeinschaft. Ich hatte ein gutes Leben dort mit vielen Verbindungen und Vernetzungen und konnte mir niemals vorstellen das alles zurück zu lassen. Ich arbeitete nebenbei als Fremdenführerin für Touristen aus Deutschland und auch diese Arbeit liebte ich. Im Laufe von 2020 kam keine einzige Touristengruppe aus Deutschland nach York. Das hat mir sehr zugesetzt. Es tat mir weh die Stadt so zu sehen, alles geschlossen, Geschäfte die drohten, pleite zu gehen, keine internationalen Besucher mehr.

Bekomme ich in meinem Alter noch eine neue Stelle?

Auch das Alter spielte eine Rolle denn ich war 59 und mein Mann 66, da überlegt man sich so einen großen Schritt schon nochmal genauer. Ich hatte ja auch so ein Glück, dass ich in dem Alter noch eine Stelle bekommen habe!

Wir haben dann auch viel nachgelesen über das Austrittsabkommen und inwiefern wir dann unter das Austrittsabkommen fallen, mein Mann würde in Rente gehen und somit seine Krankenversicherung aus England bezahlt bekommen. Alles deutete darauf hin, dass es eigentlich eine gute Entscheidung sein würde, vor dem Ende der Übergangsphase umzuziehen…doch emotional war es für mich wahnsinnig schwer mich zu trennen.

Nicht der erste Umzug dieser Art für mich

Vor allem hatte ich das ja schon einmal erlebt als ich vom Irak weggezogen bin und dann von Deutschland weggezogen bin und jetzt schon wieder… Für mich war das sehr schwer. Ich hatte auch große Bedenken wegen Deutschland, weil das nicht meine Heimat ist und ich damals, als ich da studiert hatte, da sehr unglücklich gewesen war.

Ich war allerdings jeden Sommer weiterhin zu Besuch in Deutschland gewesen mit den Kindern und unsere Kinder sprechen fließend Deutsch, alle drei. Darauf habe ich immer wert gelegt, weil auch meine Mutter immer Wert darauf gelegt hat und ich davon überzeugt bin, dass mir diese Tatsache das Leben gerettet hat, weil ich dadurch aus dem Irak weg konnte und gleich in Deutschland studieren konnte.

Mein Vater hat auch immer gesagt

“Every language you speak is another life you could live”

Insofern gab es für mich keine Bedenken. Weiterhin haben wir auch überlegt, dass wir eigentlich lieber nach Spanien wollen vor allem da unsere Tochter dort lebt aber für mich gab es dort keine Arbeitsmöglichkeiten und unser Jüngster spricht kein Spanisch und er muss ja noch eine Ausbildung oder ein Studium machen, insofern war Spanien eigentlich nicht möglich.

Deutschland war die zweite Wahl

Deutschland war somit die zweite Wahl oder für mich sogar die dritte da es mich nämlich auch in die arabische Welt zurückgezogen hat und wenn ich allein gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich lieber nach Marokko gegangen. Ich spreche ja die Sprache und es ist meine Kultur in der ich aufgewachsen bin, also der Kultur im Irak viel viel näher als Europa. Nun, so ist es eben die “vernünftige” Entscheidung geworden: für Deutschland. Vorerst.

Wie lief die Umzugsplanung?

Was die Planung anbelangt so habe ich eben erst mal meinen Lebenslauf umgebaut, so dass er für Deutschland passt: Mit Passfoto und ganz anderem Format etc…  das war gar nicht so einfach da ich noch nie einen deutschen Lebenslauf geschrieben hatte! Freunde und das Internet halfen mir diesbezüglich weiter und ich wusste ja wo die Wohnung sein wird und der Freund hatte mir auch gesagt, dass diese Organisation dort in der Nähe ist die mir bestimmt gefallen würde.  

Im Sommer 2019 war ich zu Besuch in Deutschland und da hat er sie mir sogar gezeigt und wir sind hin gefahren und haben uns umgeschaut. Deswegen habe ich mich  gezielt da beworben ohne dass überhaupt eine Stellenanzeige ausgeschrieben war und ich hatte Glück.

Ab da ging es nur noch darum was wir behalten und was wir wegwerfen oder verschenken, welches Umzugsunternehmen wir einsetzen und was für Papierkram wir brauchen. Das haben wir alles Schritt für Schritt erledigt.

Das Schlimmste war eigentlich die Entscheidung selbst

Das Schlimmste war eigentlich die Entscheidung selbst. Das war reine Folter an diesen Punkt zu gelangen. Sobald die Entscheidung getroffen war lief alles ganz einfach und wie geschmiert. Ich habe die Entscheidung teilweise vom Schicksal auf mich zukommen lassen…… ich weiß wirklich nicht ob ich sie jemals “freiwillig” und bewusst getroffen habe. “Go with the flow” war eher mein Motto. Die Möglichkeit ergab sich und ich habe sie beim Schopf gepackt.

Wie war das mit den Kindern?

Was die Kinder betrifft haben wir das natürlich mit ihnen besprochen vor allem da sie erwachsen sind. Unser 30-jähriger Ältester hat gesagt “absolut gute Idee, ihr solltet gehen”. Mir fiel es aber wahnsinnig schwer ihn zurück zu lassen und auch jetzt vermisse ich ihn furchtbar.

Unsere Tochter war eh schon in Spanien also hat es sich eher so angefüllt als ob wir zu ihr in die EU ziehen. Sie war auch dafür, wenn auch eher durch den Kopf als das Herz bestimmt denke ich, zumal sie in München studiert hat und hier auch Freunde und Familie hat. Trotzdem ist York auch ihr Zuhause und leicht war das auch für sie nicht.

Der Jüngste wollte sowieso in Deutschland studieren – unabhängig davon was wir machen. Insofern war für ihn sowieso klar, dass er nach Deutschland kommt. Das war also alles kein Problem. Ein eigenes Haus besaßen wir im UK übrigens nicht, wir wohnten immer zur Miete und insofern war das auch relativ einfach… Mietvertrag kündigen und weg. Wir haben es uns nie leisten können in UK eine Immobilie zu kaufen.

Dinge nicht vergessen, die leicht zu vergessen sind

Das allerwichtigste was man bei der Vorbereitung nicht vergessen darf sind Dinge die man oft vergisst. Zum Beispiel eine Bestätigung der Kfz Versicherung in UK damit man seinen Schadenfreiheitsrabatt nach Deutschland übertragen kann.

Die medizinischen Berichte anfordern vom GP in England. Sich eine Liste erstellen lassen vom Zahnarzt mit den Terminen denen man beigewohnt hat da es bei manchen Krankenversicherungen in Deutschland Ermäßigungen beim Zahnersatz gibt wenn man nachweisen kann, dass man regelmäßig beim Zahnarzt war.

Steuerangelegenheiten erledigen. Einen Ausdruck seiner National Insurance contributions anfordern. Das Child Benefit aussortieren (mussten wir in unserem Fall nicht da wir kein Child Benefit aus UK mehr bekamen aber ich weiß, dass man irgendeinen Wisch für die Familienkasse in Deutschland braucht). Bankangelegenheiten erledigen. Auto verkaufen. Rechtzeitig damit anfangen auszusortieren und zu packen.

Ich habe ein Rückwanderungs-To-Do Buch angelegt

Ich habe mir ein Buch im A4 Format angelegt mit Tipps, Adressen, Telefonnummern, einer Liste von Dingen die zu erledigen waren in UK vor Abreise und in Deutschland bei Ankunft. (Habe die Liste in der Facebookgruppe für andere als Leitfaden in die Files hochgeladen).

Die Entscheidung ob man sich verabschiedet und von wem. Für mich waren manche Abschiede zu schmerzhaft und ich habe sie gar nicht durchgeführt. Wir haben auch keine Feier und nichts gemacht. Erstens wegen der Coronasituation, aber zweitens auch weil es zu schmerzhaft gewesen wäre.

Welche Orte will man nochmal besuchen? Lieblingsstelle im Park? Stellen, die an die Kindheit meiner Kinder erinnern? Das Meer dass ich so liebe? Die Moors? Nostalgie oder nicht?

Sabbatical in York statt Kündigung

Weiterhin habe ich mir von meiner Arbeitsstelle in York einen Sabbatical genommen, weil ich die Stelle sehr liebe, mein Vertrag in Deutschland nur erst mal für ein Jahr läuft, und ich psychologisch das Hintertürchen offen lassen musste, sonst wär ich wahrscheinlich gar nicht gegangen, so schwer war das für mich. Ich habe auch die Option auf ein zweites Sabbatical was ich höchstwahrscheinlich wahrnehmen werde.

Es sieht im Moment so aus als wird mein Vertrag in Deutschland verlängert….. noch weiß ich nichts sicheres. Bei der Ankunft in Deutschland würde ich auch sehr raten, alles Schritt für Schritt und langsam anzugehen. Nur kein Stress, es muss nicht alles auf einmal gemacht werden (obwohl ich auch von Familien weiß die alles sehr schnell gemacht haben…das wäre mir zu stressig gewesen).

Ich habe meine Liste langsam nach Prioritäten durchgearbeitet und es hat bei uns etwa vier Monate gedauert bis wir bürokratisch in Deutschland alles erledigt hatten. Nur eines steht jetzt noch aus: Der Aufenthaltstitel-GB für meinen Mann. Die Ausländerbehörde ist informiert und wird sich bei uns melden.

Unser Wohnort war wegen der in Aussicht stehenden Wohnung vorbestimmt

Was den neuen Wohnort betrifft so haben wir uns für den ja nicht entschieden sondern er wurde für uns entschieden dadurch, dass wir in diese Wohnung gezogen sind. Ich kannte die Gegend schon ein bisschen, und es war positiv, dass meine Familie etwa 40 Minuten entfernt lebt.

Schwäbisches Dorf wo Nadia wohnt

Zwei Schwestern habe ich hier mit ihren Kindern und Enkeln. Weiterhin liebt unser Jüngster das Wakeboarding und gleich um die Ecke der Wohnung gibt es einen Wakeboardpark (weswegen wir die Gegend auch schon kannten da wir jeden Sommer zum Wakeboarding hier her gefahren sind). Somit war das mit der Wohnung schon so in Ordnung.

Kurztripp nach Deutschland vier Wochen vor Umzug

Ich bin auch vier Wochen vor dem Umzugstermin für eine Woche nach Deutschland geflogen, mit meinem jüngsten Sohn und dessen britischer Freundin zusammen, um den Mietvertrag zu unterschreiben, mich persönlich bei der Arbeit vorzustellen obwohl ich die Stelle schon in der Tasche hatte, und mich etwas zu orientieren.

Deutsch sprachen alle Kinder gut

Was das Deutsch der Kinder betrifft so habe ich oben ja schon erwähnt, dass sie von Anfang an immer deutsch sprachen. Ich habe darauf bestanden vor allem da ich Sprachlehrerin bin und weiß wie wichtig das ist. Ich habe da nie Kompromisse geschlossen und habe immer nur deutsch gesprochen und darauf bestanden. Wir waren auch jeden Sommer in Deutschland, recht lange bei Familie und Freunden, ich habe den Kindern immer deutsche Musik und Hörbücher und Filme und Bücher zur Verfügung gestellt und darauf bestanden, dass zu Hause fast nur Deutsch gehört, gelesen und gesprochen wird.

Wenn sie mit mir Englisch sprachen so habe ich auf deutsch geantwortet. Ich habe sie auch dazu erzogen miteinander Deutsch zu sprechen, was sie bis heute größtenteils auch weiterhin tun. Mein Mann sprach zwar kein Deutsch aber er fing langsam damit an vieles zu verstehen, und er hat das unterstützt was sehr wichtig war. Jetzt lernt er jeden Tag fleißig ein bis zwei Stunden deutsch online seitdem wir hier leben und malt wunderschöne Aquarelle, im Moment noch von rein englischen Landschaften… doch will er sich bald hier in der Gegend auch nach Motiven umsehen.

Aquarell englische Küste von Nadias Mann gemalt
Aquarell von Nadias Ehemann

Tief im Herzen bin ich ein Exilant

Bedenken hatten die Kinder überhaupt keine was unseren Umzug anbelangt da wir sie immer global erzogen haben und im Bewusstsein, dass ein Land nur ein Land ist und alle Länder sind nur Länder und man kann überall ein Zuhause aufbauen. Auch haben die Kinder genauso wie wir, die Lage in UK sehr wohl mit klaren Augen gesehen.

Ich bin sowieso tief im Herzen ein typischer Exilant weil ich nie zurück nach Hause in den Irak konnte und somit ist jedes weitere Land einfach ein anderer Ort in dem ich ein zu Hause aufbauen kann oder auch nicht. Verwurzelt bin ich eigentlich sowieso nur im Nahen Osten und das färbt auf die Kinder schon auch ein bisschen ab, dass sie sich überall mit Absicht wohl fühlen können wenn sie wollen.

Unser Jüngster ist während seines Gap Years mitgezogen

Unser Jüngster ist ja mit uns umgezogen und als wir her kamen hatte er noch gar keinen Plan. Er hatte gerade ein Gap Year hinter sich und wusste überhaupt nicht was er in Deutschland dann machen würde. Wir waren optimistisch dass sich schon irgendetwas finden würde auch wenn es vorerst ein zweites Gap Year mit sich zieht doch hat er Glück gehabt und relativ schnell eine Tischler Lehrstelle gefunden, was ihm sowieso sehr liegt.

Ursprünglich wollte er Musikproduktion studieren aber das hat nicht geklappt und Tischler oder Schreiner war seine zweite Wahl. Mithilfe von Familie hat er die Lehrstelle gefunden und jetzt macht er erst mal das Berufsgrundschuljahr, was sehr gut ist weil es ihn langsam in das neue Vokabular einführt und dann im September kann er im eigentlichen Betrieb anfangen. Im Moment lernt er hauptsächlich online wegen Corona aber er kommt gut zurecht und ist offen für das Neue.

Sein Deutsch war eigentlich das schlechteste von allen dreien aber er hat super aufgeholt und so schlecht war es sowieso nicht.

Auch der Jüngste kann mit dem Umzug gut leben

Was ihm den Abschied von York auch leichter gemacht hat ist die Tatsache, dass alle seine Freunde genau dann sowieso auch die Stadt verlassen haben um auf die Uni zu gehen. Auch seine Freundin verließ York um woanders in England zu studieren. Insofern war es für ihn nicht anders.

Er hat mit seinen UK Freunden sehr viel Kontakt online und im Moment ist es natürlich blöd weil er und seine Freundin sich nicht sehen können wegen der Coronalage, aber sie haben viel online Kontakt und wir hatten auch das Glück, dass seine Freundin Weihnachten mit uns feiern konnte hier in Deutschland.

Die Lage wird sich ja auch wieder ändern und die beiden sind allgemein optimistisch. Auch mit seinen anderen Freunden in U.K.  hat er viel Kontakt online. Hier in Deutschland konnte er noch nicht viele Kontakte knüpfen aber er hat Cousins und Cousinen denen er sehr nahe ist (im Moment jedoch auch nur online). Auch das wird sich hoffentlich ändern wenn die Corona Situation besser ist und er durch die Schule neue Kontakte knüpfen können wird. Gottseidank verstehen wir uns alle hier in unserer Familie super und er ist sowieso einer der immer gut gelaunt ist. Es ist alles gut.

Haben wir die Entscheidung bereut?

Bereut haben wir nichts, vom Kopf her und vom logischen her war es die absolut richtige Entscheidung aber bei mir hängt das Herz halt hinterher. Mein Mann will nie mehr zurück in die UK aber ich vermisse Freunde, die Landschaft und das Meer und auch den britischen Humor. Hier ist alles so ordentlich und vorausschaubar und vorgeplant und wenn ich es wage es so auszudrücken: Gerade deshalb etwas langweilig.

Trotzdem gefällt mir meine Arbeit hier sehr und ich hoffe, dass mein Vertrag verlängert wird. Wir sind begeistert von der Gesundheitsversorgung hier was natürlich in unserem Alter schon eine wichtige Rolle spielt. Wir empfinden uns in sehr sicheren Händen und gut aufgehoben, nicht nur was Gesundheit anbelangt sondern auch politisch im Vergleich zum UK. Natürlich ist es nicht perfekt aber das ist es nirgendwo.

Was ich anderen Rückwanderern raten würde

Ich würde eigentlich jedem raten über seinen inneren Schweinehund zu springen und den Sprung zu wagen, denn das Neue ist gut und ich glaube auch wirklich das es gut ist sich selber heraus zu fordern und neue Wege zu gehen um Neues auszuprobieren. Im Moment fühlt es sich weiterhin an wie Urlaub für uns. Ich habe noch nie auf dem Land gelebt und genieße es im Moment total vor allem wegen Corona. Der ideale Ort in diesen Zeiten. Ich weiß natürlich nicht wie es wird, wenn alles wieder öffnet und bestimmt werden mir Kultur und städtischer Flair manchmal fehlen doch wie es in Englisch so schön heißt „Cross the bridge when it comes“.

Ich bin gerade am überlegen ob ich das zweite Sabbatical von meinem Job in York beantragen soll und mir ist auch von meiner Arbeitsstelle hier gerade gesagt worden, dass man eine Verlängerung beantragt hätte damit mein Vertrag hoffentlich vielleicht verlängert werden kann. Doch wird es auf jeden Fall ein Risiko geben, da ich das Sabbatical ziemlich bald beantragen muss aber erst im Frühsommer wissen werde ob mein Vertrag in Deutschland verlängert wird. Insofern also einige Unsicherheiten aber so ist das Leben und ich habe keine Angst davor.

Welche Tipps ich für Eltern mit Schulkindern habe

Tipps für Eltern habe ich natürlich jetzt nicht viele was Schule anbelangt da unser Sohn jetzt auf der Berufsschule ist und die Schule in England mit A-Levels schon abgeschlossen hat. Da ich aber Lehrerin bin muss ich sagen ich wäre auch mit einem jüngeren Teenager umgezogen, da die politische Lage dort einfach nicht zumutbar ist. Zum Beispiel auch was Studiengebühren anbelangt und auch Zukunftsaussichten.

Man muss bedenken was für Chancen unsere Kinder im Leben später haben werden und in der EU haben sie 100-prozentig mehr Chancen. Wir brauchen eine Generation die international denkt und offen ist und dafür würde ich wirklich fast alles riskieren, dass meine Kinder diese Chancen haben. Deswegen haben wir unsere Tochter ja auch schon nach Deutschland zum studieren geschickt bevor Brexit überhaupt auf dem Horizont war.

Sie hat also ihren Bruder auch schon das Beispiel gesetzt was es für ihn leichter gemacht hat. Ich hätte bei einem Schulkind wahrscheinlich dafür gekämpft, dass mein Kind ein Jahr zurück versetzt wird, hätte das Kind auch im Jahr davor gut vorbereitet soweit es geht, sprachlich gearbeitet mit ihm und mir vielleicht von der Schule in Deutschland schon mal einiges zuschicken lassen.

Ich würde dem Kind auch den Blick in die Zukunft ermöglichen damit klar ist warum man so eine Entscheidung trifft und so einen Schritt auf sich zu nehmen bereit sein muss. Weitblick ist eine Tugend. Was auch wichtig ist, ist dass letztendlich die Erwachsenen die Entscheidung treffen müssen. Vielleicht bin ich da ein bisschen zu altmodisch aber Kinder oder auch Jugendliche können sowas nicht alleine entscheiden, Ihnen fehlt einfach der Weitblick und die Lebenserfahrung. Natürlich muss man das alles diplomatisch angehen aber unterm Strich sind wir die Erwachsenen und wir sind die Verantwortlichen und müssen bereit dazu sein diese Verantwortung zu tragen, auch im Namen unserer Kinder, egal wie alt sie sind.

Das heißt nicht, dass wir immer die richtigen Entscheidungen treffen….. aber das Leben ist nicht schwarz oder weiß und wir müssen immer versuchen diejenigen Entscheidungen zu treffen, die in dem gegenwärtigen Moment am besten scheinen.

Mal sehen, wo die Reise noch hingeht

Mal sehen was noch auf uns zukommt. Wie gesagt für mich ist es emotional gesehen noch keine endgültige Entscheidung, ich beobachte die Lage und es kann sogar sein dass ich irgendwann sowieso in Spanien oder sogar Marokko lande. Doch traurig bin ich trotzdem, denn ich hab das UK wirklich geliebt und war sehr sehr lange glücklich dort. Ich kann immer noch nicht fassen was da passiert ist.

Auf eine merkwürdige Weise kommt es mir so vor als ob Deutschland langsam das wird was England früher war und England jetzt das wird was Deutschland früher war. Ich erlebe Deutschland als viel offener und freundlicher als damals als ich hier studiert habe, und wir sind ja wirklich mit offenen Armen empfangen worden, obwohl wir in einem kleinen schwäbischen katholischen Dorf sind, ich an einer katholischen Organisationen arbeite, aber tatsächlich kulturell und religiös gesehen Muslim bin. Das finde ich wahnsinnig interessant.

Trotzdem fehlt mir das internationale Flair

Trotzdem fehlt mir das internationale Flair, dass ich in London und später auch in York zu einem kleineren Grad erlebt habe. Ich spreche fünf Sprachen und hab diese in London und York regelmäßig alle benutzt. Hier geht das eigentlich nur online aber so ist es halt im Moment. Ich hoffe damit unser Erlebnis so einigermaßen geschildert zu haben und eigentlich tut es gut das mal alles aufgeschrieben zu haben.

Na dann mal auf in die Zukunft, wer weiß was da noch auf uns zukommt. Ich hatte eigentlich vor in den Schulferien immer wieder nach York zu fahren aber das ging natürlich überhaupt nicht seit dem Umzug wegen Coronabeschränkungen. Somit war ich überhaupt noch nicht wieder dort und das macht mich sehr traurig. Ich bin gespannt wie ich mich fühlen werde wenn ich endlich wieder dorthin kann. Wird sicher sehr emotional aber wird mir vielleicht auch mehr Klarheit schaffen.

Mal sehen.

Vielen lieben Dank Nadia! Es ist wirklich spannend zu lesen, was du in deinem Leben schon erlebt hast und ich wünsche euch alles Gute für eure Zukunft!

Wenn ihr mehr Rückwanderungsberichte von Familien lesen wollt, findet ihr eine Übersicht auf der Seite mit den Rückwanderungsberichte.