An einigen Stellen auf dem Blog kommt es vor, dass ich ein wenig über die englische Schule meckere: Die fangen zu früh an (mit 4!), es herrscht ein hoher Lern-Druck, die Schultage sind sehr lang und die Kinder sind dementsprechend k.o. bzw. hat man auch kaum Zeit am Nachmittag was anderes zu machen usw.
Nun komme ich gerade von der Class Assembly meiner Großen und bin noch immer total gerührt! Und nicht nur diese Sache mit der Assembly, auch andere Dinge mag ich am englischen Schulsystem sehr.
Was ist eine Class Assembly überhaupt?
In Englischen Schulen – nicht nur in den kirchlichen wo unsere Kinder hingehen – treffen sich die Schüler jeden Morgen in der Aula zur Assembly. Dort werden Dinge bekannt gegeben, über Themen gesprochen die anstehen oder über das Wochenthema, gemeinsam gesungen und – in unserem Fall – auch gemeinsam gebetet.
Wir sind selber nicht sehr religiös und als ich kürzlich mal vor der Aula sitzend das Abschluss-Gebet-Gemurmel der Assembly gehört habe, fand ich das schon etwas ungewohnt…
Einmal im Jahr werden die Eltern jeder Klasse zu einer Class Assembly eingeladen. In dieser besonderen Assembly steht dann diese eine Klasse im Mittelpunkt und führt etwas zuvor einstudiertes vor.
Die Class Assembly der Badgers
Die Schnatterente ist in der zweite Klasse: den Badgers. Das ist der Dachs. Bis einschließlich der 2. Klasse haben die Klassen Tiernamen: Owls, Foxes, Robins, Squirrels, Hedgehogs und wie so noch alle heißen.
In den Vorführungen der Class Assembly geht es oft um Themen wie Freundschaften, zusammenhalten, sich gegenseitig helfen, soziales Verhalten allgemein usw.
Heute hat jedes Kind zunächst einen Satz durch ein Mikro vorgelesen und ist dazu aufgestanden. Kleine Showeinlagen der Kids unterstützen die Sätze. Sehr niedlich und teilweise auch lustige Einlagen. Die Sätze waren allerdings für mich als nicht native-Speaker nicht alle gut verständlich. Weil die Kids mit 6 und 7 natürlich auch das Mikro-Sprechen noch nicht so perfekt beherrschen. Mal davon abgesehen, dass es auch recht „beladene“ Sätze waren. Der Satz der Schnatterente war zum Beispiel:
Jesus was amazed at the dedication of the friends to help the sick man.
Einige dieser Sätze enthielten einen Psalm, der mit einem „Amen“ der ganzen Schule beantwortet wurde.
Das Verhalten der versammelten Schule ist WIRKLICH BEEINDRUCKEND!
Bereits vom Hereinführen der ganzen Klassen bin ich sehr beeindruckt: Die Kinder schweigen fast alle, laufen im Gänsemarsch total konzentriert ihrer Lehrerin hinterher und setzen sich brav auf den angewiesen Platz auf dem Fußboden. Auch dann wird kaum geredet. Und das, obwohl auch die Reception Class Kinder teilnehmen, die ja gerade mal 4 Jahre alt sind!
Wenn doch mal ein paar Kinder quatschen, geht sofort eine Lehrerin hin und dann reicht ein auf die Lippen gehaltener Finger aus, die Kinder zum Schweigen zu bringen. Auch meine Kinder sind da keine Ausnahme. Wenn das nur zu Hause auch so klappen würde?!? Naja, besser so als wenn sie zu Hause brav und in der Schule die Sau rauslassen würden 😉
Während der einleitenden Worte der Schulleiterin und auch während der Vorführung auf der Bühne, schaut alles ganz gespannt auf die jeweiligen Vortragenden und es ist mucksmäuschenstill.
∗“You can count on me“∗
Den Abschluss der Assembly hat das bekannte Lied von Bruno Mars „You can count on me like 1,2,3 I’ll be there“ gebildet. Das Lied haben wir in den letzten Tagen zum Üben auf YouTube hoch und runter er gehört.
Was ich aber nicht mitbekommen habe, waren die niedlichen Gesten, die sie dazu einstudiert hatten, die dem Ganzen einen rührenden Anblick verliehen.
Ich fand es sehr ergreifend zu sehen, mit wie viel Selbstbewusstsein diese 6- und 7-Jährigen vor Hunderten von Kindern und einer stattlichen Anzahl von Erwachsenen ihr Lied schmetterten und die Gesten machten, und die Schnatterente ganz groß mit dabei! Ich war auch nicht die einzige, die etwas emotional reagiert hat: Es gab andere Mamas, wo ich sogar Tränchen habe fließen sehen…
Schüchternen Kindern wird in UK die Schüchternheit genommen
Ich habe schon oft gedacht, dass man in UK „keine Chance hat“, schüchtern zu sein. Von Klein auf werden die Kinder animiert, in „Circle Times“ zum Beispiel über ihre Lieblingsspielzeuge zu erzählen, die dann auch mitgebracht werden.
Außerdem machen wir in den jüngeren Klassen immer ein recht ausfwändiges Holiday Book mit Fotos der Ferien, das die Kinder dann der Klasse zeigen und von den Ferien berichten. Dazu stehen die Kinder vor der ganzen Gruppe und müssen sprechen, ob sie wollen oder nicht. Keine einfache Übung für schüchterne Kinder!
Und diese „Bühnenauftritte“ fangen auch schon im ganz jungen Alter an. Und ich finde auch, dass das Sozialverhalten in den Klassen und zwischen verschiedenen Jahrgängen sehr gut funktioniert, was sicher auch noch dazu beiträgt, Schüchternheiten abzubauen. Es gibt ein Buddy System, bei welchem jedes jüngere Kind einen Buddy aus höheren Klassen zugeordnet bekommt, die sich dann um die Kleinen in den Pausen, aber teilweise auch in anderer Form, kümmern.
Eine Zeit lang kam die Schnatterente jeden Tag mit einer neuen Flechtfrisur nach Hause, die ihr Sechstklässlerinnen gemacht haben. Das finde ich schon eher ungewöhnlich und spricht doch dafür, dass es in der Schule mit der Integration jedes Kindes sehr gut klappt.
Für mich hat sich damals keine Sechstklässlerin interessiert, als ich in der ersten Klasse war und genau so wenig wäre ich zu einer Erstklässlerin gegangen um ihr die Haare zu flechten, als ich in der sechsten Klasse war. Na gut, das hatte ich auch deswegen nicht nötig, weil ich mit meinen jüngeren Schwestern zu Hause 3 Versuchskaninchen mit sehr langen Haaren hatte 😀
Eure Uta x
Liebe Uta,
Voll spannend mal hinter die Schulkulissen in UK zu blicken. Da habe ich selber keine Erfahrungswerte…Circle Times hätten mir als Kind sicher auch gut getan..
Vg Simone