Juhu!!! Wir haben den Lockdown in London im Frühjahr 2020 überlebt. Und nun verdichten sich an Halloween die Gerüchte, dass der nächste Lockdown vor der Tür steht…
Das ist natürlich nicht wirklich überraschend. Eher ist verwunderlich, warum die immer-zögernde Regierung nicht die Herbstferien genutzt hat und bereits während der Ferien alles dicht gemacht hat! Die für mich nicht nachvollziehbaren Entscheidungen und allgemein das Corona-Management der britischen Regierung waren wohl das schlimmste, was die Pandemie für mich zu bieten hatte. Mr. U-Turn Johnson und Cummings – Unsymphaten hoch Zehn, wissenschaftliche Berater die nicht wirklich unabhängig schienen… Ich habe mich schlecht informiert und sogar oft belogen gefühlt. Unangenehme Fakten wurden unter den Teppich gekehrt. Regierungsmitglieder brechen munter und ohne Konsequenzen Lockdown-Regeln: Am schärfsten Cummings mit seiner Flucht aus London zu seiner Familie im Norden. Wahrscheinlich brach er zehn Lockdown Regeln, aber! ‚Das hätte doch jeder gute Familienvater in dieser Situation zum Schutz seiner Familie getan…’…
Wie viele andere deutsche Eltern an der deutschen Schule in London schauten auch wir seit Februar bange nach Italien und Spanien. Wir sahen die überfüllten Krankenhäuser und die Einschränkungen in vielen europäischen Ländern. Und was taten wir hier derweil: Wir redeten noch über die anzustrebende Herdenimmunität! Johnson schüttelte stolz die Hände von jedem und wolle sich das auch nicht verbieten lassen. Und Masken?!? Die erhöhen doch höchstens das Infektionsrisiko! Vermutlich war keiner von Johnsons Elite-Buddies im Masken-Geschäft tätig, sonst wären sicher gleich wieder Millionen geflossen.
Schaut hier überhaupt jemand mal über den Ärmelkanal?
Anfang März waren wir schon längst super vorsichtig. Ich gab meine geschätzten Fitnessstudio-Vormittage auf, die ich dank Kinderbetreuung und Arbeitszeit kombiniert hatte. Wir benutzten Masken und zu Beginn sogar Handschuhe beim Einkaufen. Die Kinder nahmen wir nur noch irgendwo mit hin, wo wir ausschließlich draußen waren. Spielplätze und auch Kletterbäume ließen wir links liegen. Playdates wurden auch sehr runtergefahren.
Regelmäßig verfolgte ich kopfschüttelnd die Pressekonferenzen von Johnson und seinen wissenschaftlichen Beratern. Wie sie die Situation wochenlang schön redeten! Sich auf die Schultern klopften, wie gut sie alles im Griff hätten. Und was wir doch für ein starkes und gut vorbereitetes Gesundheitssystem mit dem NHS ja hätten… Blablabla. Es war wirklich kaum zu fassen!
Vom Lockdown noch weit entfernt gab es irgendwann erste Einschränkungen
Schultrips sollten irgendwann abgesagt werden, Risikogruppen wurden zur Vorsicht aufgerufen und ein paar Länder zu Risikogebieten erklärt. Dass andere Länder Europas Anfang März längst viel strengere Regeln eingeführt hatten, wurde von der Regierung quasi als übertrieben dargestellt. Ihr wisst ja: Das NHS ist das beste Gesundheitssystem der Welt! Wir schaffen das! Jeden Donnerstag um 20:00 Uhr traten die Menschen mechanisch vor die Tür und klatschten fürs NHS. Das half allerdings weder den schwer geforderten Ärzten und Pflegepersonal, noch jenen, die wegen dem Missmanagement plötzlich keine Patienten mehr hatten und vor Langeweile Tanzchoreographien einstudierten. Bessere Bezahlung und bessere Schutzkleidung hätten sicher mehr geholfen.
Auf Druck der Eltern machte die Deutsche Schule schon ein paar Tage vor den englischen Schulen zu und ab da hieß es: Homeschooling. Bis zu den Osterferien fühlte es sich für uns aber eher wie vorgezogene Ferien an. Alle Nachmittagsaktivitäten waren gecancelt. Dadurch fiel einiges an Stress weg. Und mit den Wochenaufgaben der Schule kamen wir ganz gut durch.
In Antizipation des Lockdowns in London hatte ich vorher noch mal groß in einem Bastelladen eingekauft. So verbrachten wir am Anfang viel Zeit mit Basteln, Gesellschaftsspiele spielen, Backen, Vorlesen und anderen „gemütlichen“ Dingen zu Hause.
Die Regierung streute zunächst hier und da immer mal wieder ein paar neue Maßnahme ein. Nachvollziehbar waren diese für mich meistens nicht. Grundsätzlich fühlten sie sich einfach alle immer viel zu spät an. Mit den Monaten kam bei mir das Gefühl auf, dass die Regierung in London einen Hut hat, in dem sie alle Maßnahmen gesammelt haben und ab und zu darf jemand mal eine davon herausziehen!
Die Osterferien im Lockdown in London
Die Osterferien selbst waren dann ziemlich ätzend. Wir waren im kompletten landesweiten Lockdown. Man durfte nur alleine zum Sportmachen für eine Stunde am Tag sein Haus verlassen. Und natürlich für notwendige Einkäufe. So ganz ohne Schulaufgaben und mit den Ausgehbeschränkungen, fehlte das bisschen Struktur im Tagesablauf und zusätzlich fühlten wir uns ziemlich gefangen.
Den Mädchen tat die lange Zeit, ohne Freunde zu sehen, auch nicht gut. Sie vermissten ihre Freundinnen sehr. Gefühlt waren sie von morgens bis abends nur am Streiten! Entweder genervt vom letzten Streit oder weil ich gleich den nächsten anfliegen sah, waren meine Nerven extremst gereizt. Die Osterferien fand ich einfach furchtbar und es stand für mich fest, dass ich nicht noch einmal Lockdown-Ferien in London verbringen möchte.
Unsere Homeschooling-Erfahrung
Nach den Ferien hatte sich die Schule dann soweit organisiert, dass Online-Unterricht startete. Beide Mädchen bekamen am Anfang der Woche ihre Wochenpläne fürs Homeschooling. Dieser enthielt die täglich abzuarbeitenden Aufgaben. Außerdem hatten sie jeden Tag ein – zwei Einheiten Onlineunterricht. Diese waren zwar eher kurz. Dafür konnten sie da ihre Freunde und Lehrer wenigstens am Bildschirm sehen und der Onlineunterricht gab unserem Vormittag auch etwas Struktur.
Meistens versuchten wir bereits um 8:00 Uhr mit den Tagesaufgaben zu starten, weil der Ordnungshüter erst um 9:00 Uhr anfing zu arbeiten. Ich selbst hatte in der Zeit zum Glück Corona-bedingt meinen Kunden verloren, worüber ich recht froh war. So versuchten wir morgens jeder mit einem Kind das meiste wegzuschaffen und dann den Rest der Aufgaben irgendwie mit mir. Gerade zu Beginn stellten Sie sich bei der Bearbeitung der Aufgaben noch ganz schön quer und wir mussten wirklich daneben sitzen.
Die Flucht vor dem Lockdown nach Berlin
Ende Mai standen die Half-Term Ferien an. Wie gesagt graute es mir extrem vor einer weiteren Ferienwoche im Lockdown in London. Genau zu der Zeit machten in Kontinentaleuropa langsam wieder die Grenzen auf. Als dann auch noch die ersten Bundesländer die Einreise-Quarantäne abschafften, hielt mich nichts mehr in London. Last Minute buchten wir den Eurotunnel Zug und sind bereits die letzte Woche vor den Ferien nach Berlin gefahren. Erstaunlicherweise kamen wir problemlos durch die verschiedenen Länder.
Da wir aus einer strengen Isolation kamen, machte ich mir auch keine Sorgen um ein eingeschlepptes Infektionsrisiko. Die kurze Pippipause in Belgien war risikolos, denn wir waren fast die einzigen auf dem gesamten Rasthof. Wir machten dann also Homeschooling aus Berlin. Ist ja eigentlich auch egal, von wo aus wir das machen. Ok, die Papageien im Hintergrund haben schon bei manchen Onlinestunden für etwas Verwirrung gesorgt 🙂
Insgesamt blieben wir drei Wochen in Berlin. Zurückgefahren sind wir primär deswegen, weil in UK dann gerade eine Einreise-Quarantäne verhängt wurde. Und dass, obwohl überall die Infektionszahlen längst runtergegangen waren. Ich sage ja: Hier durfte mal wieder jemand eine beliebige Maßnahme aus dem Hut ziehen!
Ein Gefühl fast wie „Pandemie? – Was ist das?“ in Berlin
Diese drei Wochen in Berlin – aus dem strengen Lockdown in London kommend – waren die schönsten Wochen, die ich je dort erlebt habe! Die Kinder konnten nach Erledigung des Homeschoolings und in den Ferien den ganzen Tag draußen mit ihren Cousinen und Cousins spielen. Und nach der langen Zeit ohne Sozialkontakte merkte man richtig, wie sie alle drei aufblühten. Uns Großen ging es nicht anders.
Zu der Zeit fühlte man in Berlin die Pandemie auch kaum. Also ich jedenfalls nicht, weil ich ja auch nicht darauf aus war, Restaurants zu besuchen oder kulturelle Angebote wahrzunehmen. Für mich war es einfach mehr als wohltuend und ausreichend, bei der Familie sein zu können. Mal wieder Kontakt zu anderen als nur den vier Personen meiner eigenen Familie zu haben. Und nach den ganzen Wochen einfach mal einen Tapetenwechsel zu erleben. Die Aussicht, dann zurück nach London und wieder in den Lockdown zu müssen, war alles andere als erbaulich! Immerhin bestand die Aussicht, dass die Schule in London wieder für einige Jahrgänge aufmachen würde.
Zurück nach London – Ah ja! Da war ja was mit Corona…
Die Kuschelmaus als Erstklässlerin durfte als einer von zwei Grundschul-Jahrgängen Mitte Juni wieder für vier Schultage die Woche in die Schule. Das Hygienekonzept der Deutschen Schule war penibelst ausgetüftelt. In Klassen zu 15 Kindern, Masken in gemeinsam genutzten Räumen und gestaffelten Anfangszeiten war eines meiner Kinder nun also wieder „sicher“ in der Schule. Und auch der Kindergarten des Grinsebärs machte wieder auf. Das war schon eine sehr große Erleichterung! Und es half auch diesen Lagerkoller zu vermindern.
Wie das immer so bei mir ist, fülle ich meine „Freizeit“ gerne gleich wieder auf und habe seit dem auch ein interessantes neues Projekt, das mich gut beschäftigt. Wenn ich neben der Familie noch eine „Arbeitswelt“ habe, bin ich definitiv viel ausgeglichener 🙂
Die Wochen bis zu den Sommerferien haben wir mit nur einem Homeschool-Kind recht gut hinbekommen. Bei der weiterhin im Homeschooling sitzenden Schnatterente ist Routine eingekehrt und sie hat sich damit arrangiert, dass sie sich von uns „belehren“ lassen muss. Sie hat ihre Aufgaben über die Zeit auch zunehmend selbständig erledigt. Und den beiden kleineren ging es ja sowieso viel besser, wo sie wieder in die Schule und in den Kindergarten konnten.
Sommerferien und wieder das dringende Gefühl: Bloß weg von der Insel
Trotzdem zog es uns direkt zu Ferienbeginn wieder nach Berlin. Anders als bei unserem Sneaky-Trip im Mai kamen wir nun allerdings nicht aus einer totalen Selbstisolation. Bei der Kuschelmaus war ich mir sicher, dass die sich nicht in der Schule mit Corona anstecken wird. Dafür ticken die anderen Eltern einfach zu sehr wie wir und gehen keine Risiken ein. Beim Grinsebär war ich mir allerdings nicht so sicher. Ständig war eine andere Erzieherin zuständig und auch die Gruppen waren immer anders eingeteilt. In privaten Nurseries gehen die Kinder oft einfach nur an jenen Tagen hin, an denen beide Eltern arbeiten. Daher sind es definitiv keine festen Bubbles in privaten Nurseries…
Mit einem etwas unguten Gefühl wegen dem Ansteckungs-Risiko, das ich beim Grinsebär sah, buchten wir dennoch den Eurotunnel gleich zu Beginn der Ferien. Prompt bekam er am Abreisetag einen leichten Husten. Nach kurzer Überlegung, ob wir noch einen Drive-In Coronatest auf dem Weg machen, haben wir uns dagegen entschieden. Ihm gings ja sonst gut.
In Rekord-Zeit kamen wir in Berlin an, weil natürlich wenig los war. Spät abends saßen wir also schon mit meinen Eltern am Esstisch und haben noch ne Weile gequatscht, weil die Kinder eh immer erstmal alle Tiere und Spielsachen begrüßen müssen. Am nächsten Tag fing dann der Ferienschwimmkurs der Mädels an. Weil die Schwimmkurse in London einfach nur kacke sind, haben wir sie schon das zweite mal in Berlin im Ferienschwimmkurs angemeldet. Sie bringen den Kindern hier nämlich als erstes Kraulen und Rückenschwimmen bei. Das führte aber dazu, dass die Schnatterente selbst nach fast drei Jahren Schwimmkurs immer noch nicht sicher schwamm.
Husten und nun Fieber beim Jüngsten!!!
Mittags stellte ich dann beim Grinsebär Fieber fest! Mein Gott habe ich mir Sorgen gemacht, dass er Corona mitgebracht und meine Eltern am Vorabend angesteckt haben könnte! Nach viel Rumtelefoniere habe ich ihn dann zum Kinderarzt geschleppt und einen Test machen lassen. Vom Kinderarzt – der sich übrigens auch bei Bild.de über das geringe Ansteckungsrisiko in Schulen und Kindergärten ausgelassen hat – bekam ich wortwörtlich einen auf den Deckel: ‚Wie ich darauf käme, dass der Kleine sich im Kindergarten mit Corona anstecken könnte‘. Nun ja, in London hatten wir einfach noch viel höhere Infektionszahlen als in Deutschland und dem „Hygiene-Konzept“ des Kindergartens traue ich auch nicht wirklich.
Zum Glück kam am nächsten Tag die Entwarnung! Aber der Schreck sitzt noch so tief, dass ich während der Pandemie definitiv nicht noch mal aus dem „Alltag in London“ direkt zu meinen Eltern fahren würde. Ich und wir alle möchten zwar wirklich unbedingt in den Weihnachtsferien nach Berlin. Und auch wenn ich auch dafür bin, unnötige Reisen derzeit zu unterlassen, ist das für uns alle einfach ein Muss!
Zur Not müssen wir uns hier erstmal noch eine Woche „wegsperren“ und „kontaktlos“ nach Berlin fahren. Zum Glück haben wir fast vier Wochen Ferien – da sollte das hoffentlich irgendwie für ein paar Tage möglich sein. Selbst, wenn es nach der Heimreise dann für uns Quarantäne bedeuten würde…
Wir zehren noch von dem schönen Sommerurlaub
Entgegen aller Erwartungen des Frühjahrs konnten wir Anfang August aus Berlin noch für einen sehr schönen Urlaub nach Norditalien fahren. Ausgerechnet in die Lombardei. Aber auch dort haben wir im Ferienhaus Zurückhaltung walten lassen. Und trotz Pandemie und dem stets vorsichtigen Verhalten hatten wir einen wunderschönen Urlaub. Und davon zehren wir bis heute. Seit den Sommerferien ist die Schule wieder – mit ausgetüfteltem Hygienekonzept – für alle Kinder offen. Bisher gab es auch nur in der Oberschule drei Coronafälle. Da die Grundschule aber ziemlich separiert von der Oberschule ist, hat uns das nicht betroffen.
Seit zwei Wochen sind wie hier in London nun schon im Tier 2 Modus. Das heißt, keine Haushalt-Vermischung drinnen, draußen darf man sich nur noch zu sechst treffen. Den Geburtstag der Schnatterente haben wir kurzerhand vorgezogen (Geburtstage vorfeiern machen alle hier so und mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt). So konnte auch sie trotz Pandemie und steigenden Infektionszahlen einen Corona-konformen kleinen Geburtstag mit vier Freundinnen aus ihrer Klasse feiern .
Die beiden Herbstferienwochen haben wir jetzt auch schon „überlebt“. Da die Regierung ja mal wieder trödelt und außer den Einschränkungen von privaten Treffen noch nicht viel passiert ist, waren die Mädchen den größten Teil im Holidaycamp. Ich hatte zwar etwas Bedenken, weil da eben auch Kinder anderer Schulen kommen. Aber weil ich gerade arbeitstechnisch echt busy bin, überwog die Notwendigkeit, die Kinder betreuen zu lassen.
Ungewisse Wochen bis Weihnachten
Mal schauen, wie nun der November wird. Selbst mit drohendem Lockdown sollen ja die Schulen offen bleiben. Ob das reicht, die Infektionszahlen in UK runterzudrücken, wage ich zu bezweifeln. Da ich dem NHS auch nicht so viel zutraue, wie es einem die Politiker gerne weiß machen wollen, sehe ich hier auch bald wieder Homeschooling drohen. Aber gut, da müssten wir dann noch mal irgendwie durch.
Was mich bei Laune hält ist die Hoffnung, meine Familie für ein paar Tage zur Weihnachtszeit in Berlin sehen zu können. Solange das irgendwie klappt nehme ich gerne die notwendigen Einschränkungen im Vorfeld in Kauf.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen langen und geduldigen Atem für den sicher nicht besonders rosigen November!
Und wer sich übrigens bei dem Lagebericht fragt, was uns eigentlich noch auf der Insel hält, wo wir doch am liebsten in Berlin sind: Das weiß ich auch nicht so genau. Kommt jetzt noch der Hard-Brexit und fühlt es sich danach einfach nicht mehr gut an hier zu leben, werden wir unseren – ehemals sehr geschätzten Wohnort – wohl überdenken…
Eure Uta x
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