Wir leben nach wie vor in London. Oder mittlerweile in Londons Speckgürtel in der Nähe der Deutschen Schule in Richmond. Grundsätzlich fühlen wir uns auch sehr wohl da: Die Kinder haben in ihrer neuen Schule schnell Anschluss gefunden und auch wir haben nette neue Familien kennengelernt. Wenn da nicht Brexit und das Missmanagement der Corona-Pandemie über viele Monate wäre… Frei nach dem Song von Clash frage ich mich daher manchmal: Should I stay or should I go?!?
Aktuell sind wir in Berlin in einem „ausgedehnten Urlaub“
Die Deutsche Schule in London hat schon am 11.12. Ferien bekommen. So hatten wir die Chance, in eine freiwillige Quarantäne zu gehen, bevor wir nach Berlin fahren wollten. Mit dem Auto durch den Eurotunnel – da kann man im Auto sitzen bleiben und kommt kontaktlos über den Kanal.
Auch wenn wir uns natürlich gefragt haben, ob man bei dieser Pandemie-Situation verreisen muss, haben wir uns dafür entschieden. Denn nur über Weihnachten haben wir lange genug Ferien, um vorher, dann nach Ankunft in Berlin und wiederum nach Ankunft in London Quarantäne machen konnten, ohne (viel) Schule zu verpassen.
Die Britische Corona-Mutation
Gerade als wir an dem Samstag durch Frankreich fuhren, lasen wir die Neuigkeiten über die scheinbar ansteckendere britische Mutation. Auch da haben wir uns kurz noch mal abgestimmt, ob wir weiterfahren oder doch lieber umdrehen. Aber da wir ja bereits seit einer Woche keine Kontakte mehr hatten, waren wir eigentlich sicher, dass wir keinen Virus einschleppen würden. Zur Sicherheit warteten außerdem in Berlin auch Schnelltests auf uns, die wir noch vor dem vollständigen Auspacken des Autos machten. Erst als die negativ anzeigten, setzten wir und meine Eltern unsere Masken ab. Ab da hieß es also Quarantäne.
Große Social Bubble
Da wir in Berlin dank Lockdowns und Weihnachtsfeiertagen auch nichts Besonderes hätten machen können, testeten wir uns nach 5 Tagen gar nicht erst offiziell frei sondern blieben bis zum Ende der Quarantäne zu Hause und im Garten.
Da meine beiden älteren Geschwister mit Kindern neben meinen Eltern lebten, ließen wir die Kinder nach ein paar Tagen draußen miteinander spielen. Und ab da fühlte es sich hier alles ziemlich normal an.
Die Zahlen explodieren in England und Homeschooling wird wieder eingeführt
Obwohl Boris Johnson ja immer betonte, dass Schulschließungen die allerletzte Maßnahme ist, wurde diese vor unserer Abfahrt beschlossen, so dass wir uns entschieden, direkt in Berlin zu bleiben. Somit sind wir jetzt schon 6 Wochen hier und haben 3 Wochen „Home-everything“ hinter uns.
Das klappt auch deutlich besser als in London, weil hier einfach mehr Platz ist. Die Mädels haben beide vormittags Online-Unterricht und der Ordnungshüter und ich versuchen auch irgendwie zu arbeiten. So ist es vormittags hier wie in einem Shared Office space und jeder sitzt in einem Zimmer am Computer. Nur der Grinsebär sitzt irgendwie dazwischen und muss noch bespaßt werden. Aber das geht dank der vielen alten Spielsachen von früher auch meist für eine ganze Weile ganz gut. Nachmittag trifft sich dann wieder die ganze Rotte im Garten. So viel wie in den letzten Wochen haben meine Kids im Winter glaube ich noch nie draußen gespielt…
Wie lange wollt ihr eigentlich noch auf der Insel bleiben?
Dies Frage bekommen wir hier immer wieder gestellt. Mit dem Wechseln zur deutschen Schule vor 1,5 Jahren haben wir ja schon den ersten Schritt Richtung Rückwanderung getan. Aktuell sind wir zwar noch nicht ganz so bei dem Sprach- und Schreibniveau, das Gleichaltrige in Deutschland aufgewachsene Kinder vorweisen. Aber die Lücken sind deutlich kleiner geworden. Das aktuelle Halbjahreszeugnis der Schnatterente war auch ganz gut.
Seit der Ordnungshüter sich beruflich auch selbständig gemacht hat, sind wir erstmals auch nicht mehr an einen Ort gebunden. Ich bin ja sowieso schon lange selbständig und auch nicht ortsgebunden. Daher denken wohl viele nun, dass wir ja auch zurück kommen können.
Gefühlsmäßig sind wir aber glaube ich alle noch nicht ganz so weit…
Europäer verlassen in Scharen die Insel
Wie man ja auch in den deutschen Medien lesen konnte, ist die Abwanderung von Europäern aus UK noch nie so groß gewesen, wie in den letzten Monaten. Viele sind schon nach dem Brexit Votum oder im Zusammenhang mit Brexit-Entscheidungen des Arbeitgebers (oder aus freiem Willen) wegen Brexit gegangen. Anderen hat die Corona Pandemie zugesetzt, dass sie zum Beispiel ihre Jobs verloren haben. Insbesondere im Hospitality Sektor, also alles was Richtung Restaurants, Hotel und Freizeit geht, sind viele Jobs weggefallen.
Auf Facebookgruppen sagen einige Rückwanderer aus UK, dass ihnen der Brexit bereits einen Schlag versetzt hat, die Pandemie ihnen dann aber den Rest gegeben hat. Das kann ich definitiv nachvollziehen.
Auch Freunde verlassen die Insel
Auch einige Freunde und Bekannte sind unter den Inselflüchtigen. Das gibt mir sehr zu denken. Und natürlich die Tatsache, dass wir nicht wissen, wie lange die Pandemie noch anhält und was für Auswirkungen der Brexit auf den Alltag tatsächlich hat.
Ich bin mir sicher, dass wir irgendwann in den nächsten vier Jahren zurück nach Deutschland ziehen. Drei Kinder in einer Privatschule zu haben ist genauso wenig erbaulich wie die anderen Dinge, die uns stören: Das Gesundheitssystem vorneweg gefolgt von den unbequemen Änderungen, die wir nun schon durch das Ende der Brexit Übergangsfrist merken: Postsendungen sind viel teurer geworden plus die oben draufgeschlagenen Zölle. Und einfach das Wissen, dass „wir“ nicht mehr „dazu“ (zur EU) gehören. In einigen Jahren wird uns auch das Ausbildungssystem oder auch das teure Studium ziemlich aufstoßen.
Einigen müssen wir uns nur noch über das wann des Rückzugs. Und das muss mit drei Kindern natürlich auch ziemlich gut abgepasst werden.
Ich sammle schon mal Rückwanderer-Erfahrungen
Auf einer Facebook Gruppe für Rückwanderer aus UK habe ich einmal nach Erfahrungsberichten von Familien gefragt, die mit Grundschulkindern aus UK nach Deutschland gezogen sind. Den ersten Erfahrungsbericht habe ich bereits erhalten und ich hoffe, dass noch ein paar folgen. So können wir und andere Familien sicher ein paar gute Tipps und do’s und dont’s nachlesen.
Demnächst kommen also ein paar Rückwanderungs-Erfahrungsberichte hier auf dem Blog.
Bis dahin heißt es erstmal: Should I stay or should I go BACK?
Wir müssen natürlich erstmal wieder nach London – keine Frage. Das Timing mit dem Schulstart ist eher das Problem, denn zu früh wollen wir nicht fahren (und Gefahr laufen, dass wir uns „unnötigerweise“ die Köpfe einschlagen, was passieren kann, wenn meine drei zu lange aufeinander hocken).
Nach aktuellem Stand sollen die Schulen ab dem 8.3. wieder langsam aufmachen. Mit Vorabquarantäne können wir also noch fast bis Ende Februar hier bleiben. Es fühlt sich hier einfach was Corona angeht viel sicherer an, auch wenn die Ansteckungszahlen zum Glück nun auch auf der Insel deutlich zurückgehen. Dass wir hier aber alle viel glücklicher sind, ist noch viel wichtiger. Asyl bekommen wir jedenfalls noch eine Weile bei meinen Eltern. Alles andere wird sich dann über die nächsten Wochen ergeben.
Eure Uta xx
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