In meiner Reihe über deutschsprachige Frauen, die in England den Sprung in die Selbständigkeit gewagt haben, möchte ich euch heute die Doula Lydia vorstellen. Für alle, die nicht so genau wissen was eine Doula ist: Sie werden auch als „Geburtsbegleiterinnen“ bezeichnet, die werdenden Eltern während der Schwangerschaft sowie bei und nach der Geburt zur Seite stehen. Ein super spannender Beruf wie ich finde!
Doula? Noch nie gehört
Ich freue mich sehr, dass du, Lydia, dich meinen Interviewfragen stellst und deinen Doula-Service, den du in deiner Heimat Sussex anbietest, vorstellst! So ganz genau weiß ich nämlich nicht, was eine Doula so alles macht. Und das geht anderen sicher auch so. Alle die nach dem Durchlesen des Interviews noch weitere Fragen haben, können sich auf Lydias Webseite www.yourbirthchoice.co.uk genauer über Deine Arbeit informieren und Erfahrungsberichte Deiner Doula Arbeit nachlesen.
Das erste mal bin ich selbst über den Beruf der Doula tatsächlich erst vor einigen Jahren hier in England gestoßen. Eine Freundin hatte eine Doula angeheuert, damit ihr Mann während der Geburt bei den größeren Geschwistern bleiben kann. Zunächst fand ich das ungewöhnlich und habe mich gefragt, warum nicht für die Geschwister eine Babysitterin gefunden werden kann, damit der Mann bei der Geburt dabei ist. Bis sie mir dann von der tollen Erfahrung – für alle Beteiligten – vorschwärmte.
Daher finde ich es total spannend von dir selbst einmal zu hören, was du als Doula für schwangere Frauen und werdende Eltern tust, wann und wieso sich Frauen an dich wenden und was dich an dieser Tätigkeit reizt.
Das Interview mit Lydia, Doula in England
Lydia, jetzt erzähl doch einmal kurz von dir als Person: Wer bist du, wie lange lebst du schon in England, wer gehört zu deiner Familie, was hast du gelernt oder gearbeitet, bevor du Doula wurdest.
Ja sehr gern, ich bin Lydia und komme ursprünglich aus Potsdam. 2005 bin ich für die Liebe nach London gezogen. Meine beiden Söhne wurden in London geboren. Nach der Geburt meines zweiten Sohnes sind wir dann nach West Sussex gezogen, wo wir nun schon seit 10 Jahren leben.
Bevor ich nach London ging habe ich für einen Englischen Musikverlag gearbeitet und bin dem Verlag auch heute noch, neben meiner Arbeit als Doula, beruflich verbunden. Ich habe Glück, dass sich beides gut vereinbaren lässt.
Meine Ausbildung und Arbeit zur Doula begann in London. Heute betreue ich Mütter und Familien in Sussex, Teilen von Surrey und Kent.
Wenn du es kurz einmal zusammenfassen kannst:
Was genau ist eine Doula?
Der Begriff Doula, kommt aus dem griechischen und bedeutet „Dienerin der Frau“.
Eine Doula oder auch Geburtsbegleiterin ist eine geburtserfahrene und geschulte Frau, welche Mütter, Partner und Familien durch die aufregende Zeit der Schwangerschaft, Geburt und die ersten Wochen mit dem Neugeborenen begleitet. Eine Doula tut alles, damit es der Schwangeren bzw. der Gebärenden seelisch und körperlich gut geht.
Sie hört zu, beobachtet und Vertraut auf die Intuition der Mutter. Doulas haben ein umfangreiches Wissen um Schwangerschaft und Geburt, ersetzen aber nicht die Rolle der Hebamme, welche die medizinische Betreuung der Mutter übernimmt. Die Aufgabe der Doula ist die seelische und praktische Unterstützung der Mutter und Familie.
„Doula’s“ gab es ja schon immer. Es war die vertraute Frau im Ort, die Nachbarin, die Schwester, Mutter, Großmutter, die sich um die Entbindende an der Seite der Hebamme kümmerte.
Wir leben heute nicht mehr in diesen Familienstrukturen, oder es sind andere Umstände die solch eine Unterstützung nicht ermöglichen. So übernehmen wir Doulas heute diese Rolle.
Gefühlt sind Doulas in Deutschland weniger bekannt als in England.
Wann hast du das erste Mal von diesem Beruf gehört?
Von einer Freundin, als ich 2007 mit meinem ersten Sohn schwanger war, erzählte Sie mir, dass Sie für ihre Entbindung eine Doula hatte. Ich lebte ja schon in London, aber alles um den britischen Maternity Service und was es noch für Angebote außerhalb des Maternity Service’s gibt, war für mich völlig neu.
Du hast Recht, es arbeiten deutlich mehr Doulas in UK als in Deutschland.
In den 1950-er, 1960-er Jahren fand eine entscheidende Wandlung statt: der Geburtsort wurde fast ausschließlich in die Krankenhäuser verlegt – und das wiederum korrelierte mit der endgültigen Geburtsleitung durch (meist männliche) Geburtshelfer. Die Doula Bewegung startete in den 60iger Jahren in Nordamerika aus der „natural birth movement“ Bewegung, ein Zusammenschluss von Frauen die eine natürliche und selbstbestimmte Geburt ihrer Kinder wünschten.
Geburten in den USA werden fast ausschließlich von Ärzten und nicht von Hebammen betreut. Zu oft erlebten Frauen medizinisch unnötige und gefährliche Eingriffe in den Geburtsprozess, wobei die emotionale und körperliche Betreuung der Mutter vernachlässigt wurde.
So kam es zur Gründung von DONA (Doulas of North America), und Frauen hatten die Möglichkeit eine vertraute und geschulte Doula für die Geburtsbetreuung zu finden. Die Doula Bewegung verbreitete sich dann im Englisch-sprachigen Raum, Kanada, Australien, UK stätig.
In den letzten 10 Jahren gibt es aber auch einen deutlichen Anstieg an ausgebildeten Doulas in Deutschland, Oesterreich und Schweiz.
Wieso hast du dich schon bei deiner ersten Geburt für eine Doula entschieden?
Meine Zeit der ersten Schwangerschaft in London war aufregend, aber auch etwas fremd und manchmal einsam. Das erste Kind… und das dann nicht mal in Deutschland mit Familie und Freundinnen, die schon Kinder hatten und mir Erfahrungen und Tipps geben koennen.
Ich fühlte, dass ich für die Zeit der Entbindung eine vertraute Frau an meiner Seite haben möchte, die selbst schon Kinder entbunden hat, weiß was mir gut tut, und mich durch die Zeit der Entbindung emotional und praktisch unterstützend begleitet. Auch hatte ich Kenntnis von Studien die belegten, dass der Geburtsverlauf mit 1-1 Unterstützung einer geburtserfahrenen Frau deutlich kürzer ist, weniger medizinische Eingriffe und Kaiserschnitte erfolgen und Entbindende weniger schmerzstillende Medikamente benötigen. Mein Partner war natürlich auch dabei 😉
Wann und wie reifte in dir der Wunsch, selbst Doula zu werden?
Die Geburt meines ersten Sohnes war auf jeden Fall der Auslöser und hat mich stark überwältigt und geprägt. All die Emotionen, von Aufregung und Vorfreude, Ängsten, Superkräften und unglaublich stolzem Gefühl, wenn man dann sein Kind in den Armen hält. Ich wusste sofort, dass ich Frauen durch diese Zeit und Gefühlsreise begleiten und unterstützen möchte. Ich überlegte erst, ob ich mich zur Hebamme ausbilden lasse, doch die Arbeit einer Doula war mir mehr vertraut, persönlicher. Es war ein innerer Ruf den Weg als Geburtsbegleiterin zu gehen.
Wie sieht die Doula-Ausbildung aus?
Doula UK war meine erste Anlaufstelle. Meine Ausbildung liegt schon 10 Jahre zurück und es mag heute einige Änderungen geben, aber im allgemeinen ist es so, dass Doula UK mit bestimmten Kursanbietern zusammenarbeitet. Es werden auch Workshops zur Einführung in die Doula Arbeit angeboten.
Eine Doula Mentorin begleitet Dich während der Ausbildung. Jede Doula in Ausbildung muss eine bestimmte Anzahl Geburts- und postnataler Betreuung mit der Mentorin besprechen und einen Bericht über die Doula Betreuung führen.
Die Ausbildung ist sehr vielseitig, es gibt Kurse mit Schwerpunkt Geburt, andere mehr mit Schwerpunkt auf die ersten Wochen nach der Entbindung.
Als Doula lernt man nie aus, es gibt immer wieder interessante und wichtige Kurse die ich besuche, z.B. die Massage mit Rebozo Schal, Akupressur während der Entbindung oder die Anwendung von Ätherischen Ölen. Als Mitglied von Doula UK wird jede Doula verpflichtet sich regelmäßig durch Kurse weiterzubilden.
Was fasziniert dich an der Tätigkeit als Geburtsbegleiterin?
Alles, … vom ersten Kontakt mit Mutter und Familie, die Geburt und das Ah und Oh wenn das Neugeborene dann zu Hause betreut wird. Jede Frau hat eine Geschichte zu erzählen und ich höre gespannt und einfühlsam zu. Bei der Geburt eines Kindes eingeladen zu sein ist eine Ehre für mich. Die Naturkraft der Mutter im Moment der Geburt miterleben zu dürfen ist etwas so Besonderes, dass schafft Dir kein anderer Beruf.
Die postnatale Betreuung ist schön, weil Du Zeit und Raum für Mutter und Kind schaffst sich einzuleben und sich von der Entbindung zu erholen. Ob es die kleinen praktischen Dinge sind die ich als Doula erledige oder das Zuhören und Ermutigen, wenn sich die Emotionen überschlagen und Tag und Nacht für Mutter und Vater endlos lang scheinen.
Wie lässt sich der Beruf als Doula mit dem Leben als Mama unter einen Hut bringen?
Ja, da muss ich etwas schmunzeln, denn ohne meinen Mann und ein wunderbares Netzwerk an Freunden hätte ich in den letzten 10 Jahren keine Geburt betreuen können. Oft musst du Nachts los, wenn die Wehen anfangen. Als Birth Doula weißt Du nie wann Du wieder zu Hause bist. Geburtsbetreuung ist kein 9 to 5 Job.
Bei postnataler Betreuung im Wochenbett ist das etwas anders. Die Betreuung ist meist tagsüber nach vereinbarten Stunden.
Heute sind meine Söhne schon älter, das macht die Planung um Familie und Doula Arbeit auf alle Fälle leichter.
Die Kosten für deinen Service scheinen mir günstig zu sein. Ist es mehr Berufung als Beruf?
Was eine Doula für Ihre Leistung berechnet, kann sehr unterschiedlich sein. Jede Doula kann Ihre Gebühr selbst festlegen. London liegt da im höheren Bereich.
Die Erfahrung spielt eine Rolle und welche Dienste noch angeboten werden. In Sussex liege ich mit meinem Preis sehr durchschnittlich, und erhöht habe ich meine Gebühren schon lange nicht mehr.
Natürlich ist die finanzielle Entschädigung für meine Zeit und Kraft der Betreuung wichtig und richtig, treiben tut mich aber die Berufung. Ich glaube das geht sehr vielen Doulas auch so. Viel meiner Zeit ist freiwillig unbezahlte Arbeit, wie zum Beispiel die monatliche Hausgeburtsgruppe die ich in Sussex leite.
Was empfiehlst du anderen Frauen, wenn sie Geburten begleiten wollen?
Empfehlenswert ist es sich grundsätzlich erst einmal über eine Doula Organisation über aktuelle Einführungskurse zu informieren. Solch ein Kurs bringt Klarheit und Antworten zu vielen Fragen rund um die Doula Arbeit. In UK ist es Doula UK https://doula.org.uk/ in Deutschland https://www.doulas-in-deutschland.de/.
Weiter empfehle ich, sich ehrlich zu fragen, ob es der richtige Zeitpunkt ist als Doula zu arbeiten. Kannst Du von Deiner Familie Tag und Nacht weg sein, ohne dass Du Dir Sorgen um eigene Kinder oder Familie machen musst? Flexibel zu sein ist ein Muss.
Das lesen von Büchern und aktuellen Veröffentlichungen rund um Schwangerschaft und Geburt und Wochenbett hilft um Wissen anzueignen. Auch empfehle ich sich über lokale Gruppen, wie z.B. Hausgeburtsgruppe oder Freiwilligen Arbeit auf der Entbindungsstation zu erkundigen. Networking ist, wie in jedem anderen Beruf auch, als Doula wichtig.
Wie aufwändig ist der Admin-Kram als selbständige Doula? Verträge, Versicherungen, Abrechnungen, Steuererklärungen etc…
Persönlich finde ich es gar nicht sehr aufwendig. Doula UK unterstützt mit Formularen, wie Birth und Postnatale Arbeitsverträgen und Deklaration Deiner Arbeit. Die Verträge beschreiben, welche Leistung als Doula angeboten wird, dass man keine medizinische Versorgung übernimmt, und welche Gebühren fällig sind. Du kannst Dich als Doula durch verschiedene Versicherungsanbieter in UK mit einer jährlichen Gebühr absichern lassen.
Vielen Dank liebe Uta, dass ich auf Deinem Blog meine Arbeit als Doula vorstellen durfte. Über meine Webseite www.yourbirthchoice.co.uk, kann man mich direkt kontaktieren. Ich freue mich von Müttern in UK und Deutschland zu hören.
Eure Lydia
Vielen Dank für das Interview, liebe Lydia!
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