Die liebe Vroni hat auf meinen Aufruf auf einer Facebookgruppe für Rückwanderer von UK nach Deutschland reagiert und berichtet hier von ihrem Umzug von London nach Deutschland mit britischem Partner und gemeinsamen Sohn.
Wie viele Deutsche hat es sie in jungen Jahren mal für eine Auslandserfahrung nach London verschlagen. Und oft kommt alles ganz anders als geplant, man lernt das Land und das Leben lieben oder trifft – wie Vroni – ihren Partner. Man liest und hört zumindest bisher häufig von solchen Werdegängen. Durch den Brexit dürfte das einfach mal für eine Zeit ins UK ziehen ja nun nicht mehr ganz so leicht sein…
Vroni jedenfalls hat sich ein Leben in England aufgebaut und es klang nicht so, als würden sie und ihr britischer Partner über einen Umzug nach Deutschland nachdenken. Dann kam ihr Sohn leider mit einem schweren Herzfehler auf die Welt. Die Versorgung über das NHS klappte in den ersten Lebensmonaten sehr gut. Bis die Corona-Pandemie kam und die Krankenhäuser viele der wichtigen, regulären Termine verschieben mussten.
Im Folgenden könnt ihr im Interview mit Vroni lesen, was das für sie als Familie bedeutete und wie ihr Umzug nach Deutschland geklappt hat.
Vielen Dank für deinen interessanten Bericht liebe Vroni! Ich wünsche euch und vor allem eurem Sohn alles Gute und hoffe, dass er ein ganz unbeschwertes Leben – in Deutschland oder später zurück in England – führen kann!
Stell dich doch bitte einmal kurz vor
Ich bin 2014 nach London gezogen und wollte eigentlich nur für ein Jahr nach dem Studium bleiben, habe jedoch kurz darauf meinen Partner kennengelernt. Er ist Brite und ich bin Deutsche. Ich habe als Kindheitspädagogin in einem deutschen Kindergarten gearbeitet, bevor ich einen kleinen Karrierewechsel hatte und als Account Manager angefangen habe. Mein Partner ist ein Digital Designer.
Seine Eltern leben in UK, wobei ca. 2 Stunden außerhalb Londons. Meine Familie lebt in Deutschland.
Dann bist du schwanger geworden. Erzähl doch bitte kurz von deiner Schwangerschaft in England
Ich wurde im Frühling 2018 etwas schneller als gedacht schwanger. Die Schwangerschaft war – außer den normalen “Nebenwirkungen” – unkompliziert. Ich musste für die Arbeit reisen und hatte eigentlich nie Probleme. Wir waren unter der Betreuung von King’s College Hospital in Camberwell, wo beim dritten Ultraschall in der 36. SSW ein schwerer Herzfehler (Transposition der großen Gefäße) festgestellt wurde.
Wie ging es euch nach der Diagnose schwerer Herzfehler bei eurem Ungeborenen?
Es war ein Schock, aber die Ärzte waren alle sehr optimistisch, da der Herzfehler bereits vor der Geburt festgestellt und alles vorbereitet werden konnte. Wir wurden vom King’s College ans St. Thomas/Evelina überwiesen. Es waren ein paar schwierige Wochen, aber wir fühlten uns so gut wie möglich betreut.
Wir teilten zwar die Nachricht mit unseren Familien und hatten viel Kontakt mit unseren Müttern über WhatsApp/ FaceTime, bevorzugten jedoch die drei Wochen alleine im Krankenhaus zu sein.
Wie habt ihr die Betreuung durch das NHS erlebt?
Ich hatte aufgrund des Herzfehlers einen geplanten Kaiserschnitt und ich fühlte mich sehr gut betreut. Der Kleine brauchte bereits wenige Stunden nach seiner Geburt eine erste, kleine OP und war dann auf NICU bis zur offenen Herz-OP. Die Hebamme auf der postnatalen Station konnte es einrichten, dass ich ein Einzelzimmer bekam und ein paar Tage länger bleiben konnte als medizinisch notwendig, bevor das Ronald McDonald Haus ein Zimmer für uns hatte. So konnte ich 24h rüber zur NICU und immer bei meinem Sohn sein und wir hatten ganz viel Skin-to-Skin und ich konnte ihn auch Stillen.
Als er 12 Tage alt war, hatte er dann seine große, offene Herz-OP und musste 5 Tage auf PICU bevor er zurück auf die NICU bis zur Entlassung verlegt wurde.
Die Ärzte und Schwestern waren super, sie haben sich sehr um unseren Kleinen bemüht und sich auch immer gut um uns als Eltern gekümmert. Wir haben viel Unterstützung erhalten und konnten vor der Entlassung auch “rooming in” machen, um sicherzugehen, dass wir mit der Medikamtengabe usw. vertraut sind.
Die weitere Unterstützung nach der Entlassung
Die Nachsorge war zu Beginn auch noch sehr gut, wir hatten eine gute Krankenschwester vom Health Visitor Service, die Erfahrung mit Kindern mit angeborenen Herzfehlern hatte. Leider wechselte sie ihre Position zum Jahresende, so bekamen wir kurz vor dem 1. Geburtstag unseres Sohnes eine neue zugeteilt, die sehr jung und unerfahren war und mit unseren Problemen (unser Sohn hatte feste Nahrung abgelehnt und wir warteten zu dem Zeitpunkt bereits seit 3 Monaten auf einen Termin beim Ernährungsberater) eher überfordert war.
Wegen der Corona-Pandemie standen wir plötzlich alleine da
Und dann kam Corona – wir konnten niemanden mehr erreichen . Kein Health Visitor, keinen Ernährungsberater. Ich hatte mehrmals um Rückruf gebeten und von den Health Visitors am Telefon sehr widersprüchliche Aussagen erhalten, aber keine Hilfe. Wegen der Pandemie waren wir komplett auf uns alleine gestellt.
Im August 2020 hätte er seinen nächsten Termin zur wichtigen Nachsorge beim Kardiologen gehabt. Das Evelina Krankenhaus versicherte mir zu Beginn, dass wir auf der Warteliste standen. Aber es wurde nach Kurzem klar, dass wir keinen Termin mehr in 2020 bekommen werden und ich war sehr verunsichert, was dies für unseren Sohn bedeutet, da er seit der letzten Untersuchung sehr gewachsen war und dadurch eventuell Komplikationen auftreten könnten, Das ist auch der Grund, weshalb regelmäßige Untersuchungen (alle 6-9 Monate) so wichtig sind.
Der Herzfehler war der Auslöser für euren Umzug nach Deutschland. Was ging euch dabei durch den Kopf?
Es war eine Kombination aus Corona, Brexit und die fehlende Hilfe für unseren Sohn. Ich hatte mich über die Betreuung in Deutschland informiert und es klang, als wäre das Gras auf der anderen Seite grüner.
Mein Partner bekam ein Jobangebot für einen befristeten Vertrag, den er in UK starten und mit nach Deutschland nehmen konnte. Wir hatten sonst keine Verpflichtungen und hatten uns dann relativ kurzfristig entschieden, den Schritt zu wagen, solange wir das aufgrund der britischen Staatsbürgerschaft meines Partners noch relativ einfach machen können, sprich vor Brexit.
Welche administrativen Hürden musstet ihr überwinden?
Eigentlich keine. Mein Partner hatte seinen befristeten Vertrag, den er mitnehmen konnte, unsere Wohnung in London war nur gemietet und die deutschen Behörden waren bereits im Vorfeld sehr hilfreich.
Konntet ihr in Deutschland die Unterstützung erhalten, die euer Kind benötigt?
Ja, und sogar schneller als gedacht. Wir waren 10 Tage nach Einreise in Quarantäne und konnten uns dann beim Einwohnermeldeamt registrieren. Anschließend konnten wir unsere Versicherungsunterlagen abschicken und hatten innerhalb einer Woche eine Krankenversicherung.
Ich hatte an einem Donnerstag beim Kinderarzt angerufen und nach eine Kardiologie-Termin gefragt und gleich einen am folgenden Montag erhalten und einen U-Untersuchungstermin kurz darauf. Die Ärztinnen haben sich die Zeit genommen, sich die Geschichte unseres Sohnes anzuhören und waren sehr emphatisch. Wenn wir Fragen hatten oder unsicher waren, konnten wir in der Praxis anrufen und eine der Ärztinnen, die ihn bereits kannte, rief wenige Stunden später zurück.
Wir hatten in UK 4 Monate auf einen Termin gewartet und in Deutschland dauerte es weniger als eine Woche!
Was für Tipps habt ihr für andere Eltern in einer ähnlichen Situation?
Das ist schwierig, aber ich bin nach wie vor in Kontakt mit anderen Eltern, deren Kind einen Herzfehler hat, und die Situation in London hat sich nicht geändert, also würden wir es wieder so machen.
Wir hatten im Vorfeld, bevor die Entscheidung fiel bereits mit Arbeitgeber, Versicherung und Kinderarzt alles abgeklärt und das hat uns viel Zuversicht gegeben.
Wie habt ihr euch als Eltern in Deutschland eingelebt?
Es ist noch etwas gemischt. Ich habe das Gefühl, dass Deutschland familienfreundlicher ist, z. B. die finanzielle Unterstützung die man erhält (Kindergeld, Familiengeld), niedrigere Kosten für Kita, entspanntere Einstellung zur Schule…
Auf der anderen Seite merke ich, dass ich noch nicht ganz angekommen bin. Ich hatte meine mum-friends und bereits Kiga und Primary School in London ausgesucht und nun fangen wir wieder von Vorne an, was mit Corona nicht so einfach ist, aber das wird schon.
Gibt es für euch den Wunsch, irgendwann zurück zu ziehen?
Wir sind noch unsicher.
Wir hatten die Entscheidung getroffen, dass dies nicht für immer sein muss, sondern vorerst für die nächsten zwei Jahre und dann können wir nochmal evaluieren, wie es uns geht und was sich in der Zwischenzeit verändert hat.
Vielen Dank noch einmal, Vroni!
Wenn ihr weitere Rückwanderungsberichte von deutschsprachigen von UK nach Deutschland nachlesen möchtet, findet ihr diese auf der Rückwanderungsübersichtsseite auf dem Blog.
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