Die liebe Kerstin vom schönen Blog Austrian Mama in UK erzählt uns heute, wieso sie als österreichische Familie nach England gezogen sind und wie es ihnen seit dem ergangen ist. Sehr ehrlich und interessant zu lesen. Nicht nur dieser Gastbeitrag, sondern auch die Blogposts, die sie regelmäßig veröffentlicht. Vielen Dank für deinen schönen Gastbeitrag, Kerstin!
Eine österreichische Familie zieht nach England
Leben im Ausland ist ein Traum, den viele haben, doch vergleichsweise wenige sich erfüllen. Wir haben vor drei Jahren den Entschluss gefasst: Wir wagen es. Wie sich der Traum mit der Wirklichkeit verhalten hat, darf ich euch heute in meinem Gastbeitrag für Berlondon Mama erzählen.
Dass ich eines Tages in England leben möchte, war mir am 29.12.2009 klar, als unser Flugzeug in London Stansted gelandet ist. Es war dunkel, es hat geregnet und mein Hubby (damals noch bester Freund) hat nur geflucht. „Sch*** Wetter, blöde Idee…“ hörte ich ihn von Weiten nur murmeln. Er stand zwar direkt hinter mir, aber ich war wie in Trance. Bis heute kann ich das Gefühl nicht beschreiben. Diese intensive Erkenntnis: Hier gehöre ich hin.
Ich hatte es nicht eilig. Immerhin war ich noch Studentin, aber der Traum ließ mich nie los. Aus dem besten Freund wurde mein Hubby und nachdem er sein Studium abgeschlossen hatte und nach zwei Jahren von einem gutbezahlten Job in Wien die Schnauze voll hatte, war es soweit. Er suchte sich einen Job in England. Ihm war es eigentlich nicht wichtig, wohin wir gehen. Nur weit weg von Wien bitte, war seine einzige Ansage.
Jobsuche in England und aufregende Neuigkeiten
Die Jobzusage kam recht schnell, was aber noch schneller kam, waren die zwei blauen Streifen am Schwangerschaftstest. Aus einem Jux: „Na probieren wir es halt einmal“ wurde vier Wochen später Ernst. Aufgehalten hat uns das nicht. Im Gegenteil, es gab uns sogar noch mehr Antrieb. Denn immerhin hatten wir nun einen Geburtstermin. Bis dahin musste alles unter Dach und Fach sein. Ein Leben in England etabliert usw. Rückblickend betrachtet, war das eine sehr waghalsige Geschichte, aber wer uns kennt, weiß, dass das typisch für uns ist.
All das liegt mittlerweile drei Jahre zurück. Unsere Tochter ist im Dezember zwei Jahre alt geworden und ist bestens integriert. Zweimal in der Woche geht sie zur Tagesmutter, während ich bei einer Bekleidungsfirma als deutsche Business Managerin tätig bin. Mein Mann arbeitet als Projektleiter Vollzeit für einen Konzern in der Automobilindustrie.
Als österreichische Familie sprechen wir deutsch, waren aber sehr um Integration bemüht
Obwohl zu Hause ausschließlich deutsch gesprochen wird, verständigt sich unsere Tochter fast nur auf Englisch. Die Umgebungssprache hat in unserem Fall deutlich mehr Einfluss auf den Sprachgebrauch der Kleinen als ihre Muttersprache. Ich kann sie gut verstehen. Sind wir zum Beispiel im Park und sie hört Motorengeräusche, zeigt sie zum Himmel und sagt: „Plane!“ Ich schaue dann ebenfalls hinauf und sage: „Ja, da ist ein Flugzeug.“ Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich wohl auch für „Plane“ entscheiden – ist viel einfacher.
Als wir in England angekommen sind, war mir Integration sehr wichtig. Es war eine der interessantesten Veränderungen für mich. Von der eingefleischten Österreicherin zur Immigrantin. Doch ich wollte ein gutes Beispiel sein. Ich meldete uns für einen Geburtsvorbereitungskurs an und trat auf Facebook jeder lokalen Mummy-Gruppe bei. Schon nach wenigen Wochen hatte ich ein Netzwerk aus britischen Bekanntschaften geknüpft. Man glaubt ja gar nicht, wie sehr so ein Schwangerschaftsbauch verbindet. Im Geburtsvorbereitungskurs habe ich sogar meinen zukünftigen Chef kennengelernt. Unsere Kinder sind mittlerweile gute Freunde und sind nur durch einen Altersunterschied von vier Wochen getrennt.
Die Feststellung nach 2 Jahren: Irgendwas fehlt
Doch nach etwa zwei Jahren fingen wir an uns einsam zu fühlen. Was am Anfang noch super aufregend war, wurde nun lästig. „Ja, ich bin aus Österreich.“, „Nein, ich lebe gerne in England.“ Immer und immer wieder dieselben Unterhaltungen, dieselben Fragen. Wir waren die „peaceful aliens“ und es reichte uns. Wir wollten wieder nur einer/eine von vielen sein.
Besonders in der Kindererziehung merkte ich viele Unterschiede, die mich als Jungmama aufrieben. Mir ist schon klar, dass wir auch im deutschsprachigen Raum unsere Kinder unterschiedlich erziehen aber ich denke doch, dass der Grundgedanke der gleiche ist. Mit Britinnen ist das leider anders. Die haben zwar auch denselben Grundgedanken, aber der weicht von meinem eigenen enorm ab. Diese ewigen Erklärungsversuche, die endlosen Rechenschaften, die ich vor meinen Freundinnen ablegen musste, wurden mir zu viel. Ich zog mich zurück und fing an nach deutschsprachigen Communities in meiner Gegend zu suchen.
Auch auf dem Land gibt es eine deutsche Community
Und siehe da: Ich wurde fündig. Obwohl wir sehr ländlich wohnen, ist gleich im Nachbardorf eine deutsche Samstagsschule. In dieser meldeten wir uns an und waren begeistert. Zwar waren die Eltern hier ausschließlich Deutsche (auf diesen Unterschied bestehe ich als Österreicherin 😉 ) aber es war trotzdem ein ganz anderes Gefühl. Letzten November feierten wir in der Samstagsschule das St. Martinsfest und gingen mit den Kleinen sogar auf einen Laternenumzug. Ich weinte vor lauter Rührung. Ich fühlte mich wieder ein Stück wie ich selbst – und dass es gut ist, so zu sein wie ich – und dass auch noch andere so sind, viele sogar.
Des Weiteren gehören wir zum Minikinderkreis, der sich jeden zweiten Freitag trifft und den wir mittlerweile sogar mitorganisieren. Nach zweieinhalb Jahren haben wir endlich die richtige Balance zwischen Integration und unter Gleichgesinnten sein gefunden. Und sogar ein paar Österreicherinnen kennengelernt.
„Trotzdem fehlt mir manchmal mein Wiener Schnitzel und dann heißt es für mich: Ab in die Heimat“
Ich bin kein besonderer Familienmensch. Auch wenn es hart klingt, aber ich vermisse meine Familie in Österreich nicht. Wir kommunizieren regelmäßig in diversen sozialen Netzwerken, mehr haben wir auch nicht getan, als wir noch in Österreich gelebt haben. Ich betrachte es vielleicht zu nüchtern, ich weiß nicht.
Aber mir fehlen meine gewohnten Supermärkte, die Berge, die Freibäder und Seen, das Schifahren und noch vieles mehr. Daher fliegen wir etwa ein- bis zweimal im Jahr für eine Woche nach Österreich. Durch die besonders günstige Flugverbindung mit Ryanair geht das sogar zu einem sehr vernünftigen Preis.
Meine Tochter ist noch zu klein um ein Heimatgefühl zu entwickeln, denke ich. Sie ist österreichische Staatsbürgerin und wird es wohl auch bleiben, egal was Brexit bringt.
Nicht nur deswegen steht unsere Zukunft in England auf wackligen Beinen. Nach zweieinhalb Jahren stellen wir uns nun die Frage: Was ist unser nächster Schritt? Bleiben wir hier noch ein wenig oder wollen wir wieder zurück? Das ist eine der schwersten Entscheidungen, die ich in meinem Leben je treffen musste. Aber das kennen wir ja schon. Mit uns wird es nie langweilig.
Ich kann gut verstehen, dass ihr Sorgen habt, was der Brexit bringen wird. Meine Schwester lebt in Oxford und sie wird wohl wieder zurück nach Deutschland kommen, sobald ihre befristete Stelle ausläuft.
Wünsche euch noch alles gute in England!
LG
Kerstin
Vielen Dank!
Hat deine Schwester einen Englischen Partner, der dann mitgeht? Es gibt eine Facebook Gruppe für Rückwanderer aus UK nach Deutschland und ich bin immer erstaunt, dass so viele Engländer mitgehen, obwohl es in Deutschland oft nicht sehr einfach für sie ist, ohne oder mit wenig Deutschkenntnissen. Da ziehe ich echt meinen Hut vor!
Viele Grüße,
Uta